Tierkreis in der Arabischen Astrologie

Die Geschichte der Astrologie in Indien, Arabien und China

Die Geschichte der Astrologie begann im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien. Doch es war ein langer Weg von der reinen Beobachtung himmlischer Zeichen über die Berechenbarkeit von Planetenbewegungen bis hin zu den ersten persönlichen Horoskopen, wie sie im 5. vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland entstanden sind. Im Römischen Reich erhielt die Astrologie schließlich ihre heutige Form. Antike Lehrbücher aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert wie jene von Ptolemäus oder Manilius erklären die bis heute üblichen Grundelemente jedes Horoskops: den Tierkreis, die Planeten, die Aspekte und die Häuser. Bis heute berufen sich Astrologen aus aller Welt auf diesen grundlegenden Aufbau. Doch mit dem Niedergang des Römischen Reichs geriet die Astrologie in Europa in Vergessenheit. Die alten Lehren überlebten aber in der arabischen Welt und in Indien.

Die siderische Astrologie in Indien

Insbesondere im Rahmen der Eroberungszüge von Alexander dem Großen war die Astrologie bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. nach Indien gelangt. Sie wurde dort ins hinduistische Weltbild integriert und mit der bereits bestehenden Lunarastrologie verknüpft. So spielt bis heute in der indischen Astrologie (Jyotisa) der Mond eine viel stärkere Rolle als in der westlichen Astrologie. Die 27 oder 28 Mondstationen (Nakshatras), welche der Mond im Lauf seines Zyklus durchläuft, wurden durch die hellenistischen Einflüsse um die zwölf solaren Tierkreiszeichen (Rashis) ergänzt. Auch die Erweiterung der altindischen Sonnen- und Mondkalender um die fünf Planeten (Grahas) Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn und damit verbunden die Einführung der Siebentagewoche (jeweils ein Tag für Sonne, Mond und die fünf Planeten) geht auf die Griechen zurück.

Im Lauf der folgenden Jahrhunderte entwickelten sich die indische und die westliche Astrologie zunehmend auseinander. Ein Hauptgrund dafür ist der Tierkreis. Traditionell liegt sein Anfangspunkt auf 0° Widder. In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten war der Eintritt der Sonne ins siderische Sternbild des Widders mit der Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) weitgehend identisch. Da sich die Erdachse im Lauf der Jahrhunderte jedoch verlagert (Präzession), driften die Sternbilder und die Äquinoktialpunkte immer weiter auseinander. Etwa alle 2.200 Jahre verschieben sie sich um ein Zeichen. Erst nach 26.000 Jahren sind sie wieder deckungsgleich. In der westlichen Astrologie hielt man sich an den tropischen Tierkreis. Das heißt, dass 0° Widder als Punkt der Tagundnachtgleiche definiert ist und mittlerweile nichts mehr mit den Sternbildern am Himmel zu tun hat. In der indischen Astrologie hingegen wurde der siderische Tierkreis beibehalten. 0° Widder ist also immer noch dort, wo das Sternbild des Widders am Himmel beginnt. Allerdings liegt dieser Tag mittlerweile mehr als drei Wochen nach der Tagundnachtgleiche, also nicht um den 21. März, sondern erst um den 14. April. Ein stürmischer Widder der westlichen Astrologie ist in Indien somit noch ein verträumter Fisch. Ein exzentrischer Wassermann nach dem tropischen Tierkreis ist im siderischen Tierkreis ein konservativer Steinbock.

Dieser Widerspruch ist eines der Hauptargumente der Kritiker gegen die Astrologie. Und in der Tat befinden sich die Astrologen hier im Erklärungsnotstand. Manche Astrologen behaupten, dass sowohl der tropische, als auch der siderische Tierkreis in sich stimmig wären und einfach verschiedene Ebenen des Horoskops repräsentieren. Allerdings bleibt dann die Frage offen, warum den einzelnen Tierkreiszeichen in beiden Bezugssystemen dieselben Eigenschaften zugeordnet werden. Hier hat der renommierte Astrohistoriker Dieter Koch (*1959) bei einer vergleichenden Analyse vedischer Astrologiebücher allerdings festgestellt, dass es bei den Beschreibungen der Tierkreiszeichen durchaus Verbindendes gibt. So werden beispielsweise dem siderischen Skorpion auch Charaktermerkmale zugeschrieben, welche im Westen mit dem tropischen Schützen assoziiert werden. Mit den Koordinatensystemen haben sich also auch die Bedeutungsräume verschoben, sodass die inhaltlichen Widersprüche gar nicht so gravierend sind. Problematisch wird es allerdings beim Herrschersystem. Hier wie dort gilt Mars als Planet des Widders, Jupiter als Planet der Fische und so fort. Ein tropischer Widderaszendent bekommt den kriegerischen Übeltäter Mars als Geburtsplanet zugeordnet, während derselbe Mensch in Indien dem großen Wohltäter Jupiter untersteht. Dieser Widerspruch scheint bis heute unlösbar. Und so besteht die beliebteste Ausflucht darin, dass westliche Astrologen den siderischen und indische Astrologen den tropischen Tierkreis als Unsinn abtun.

Arabische Astrologie

Der zweite Kulturkreis, in dem die antike Astrologie fortlebte, war der arabische. Die Araber bewahrten das geistige Erbe der Griechen und entwickelten es weiter, während Europa im finsteren Mittelalter versank. Zu den bekanntesten arabischen Astrologen gehörten Messallah, der im Jahr 762 n. Chr. den Zeitpunkt für die Gründung Bagdads errechnet hat, Sahl ben Bishr, Abu Masar (beide in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts), Albubather (etwa 875 – 950) und vor allem der berühmte Universalgelehrte Al-Biruni (973 – 1050), sowie Ali ben Ragel (1016 – 1062), einer der meistzitierten Astrologen des Mittelalters. Der große Einfluss, den die Araber auf die Entwicklung der Astrologie hatten, kommt noch heute zum Ausdruck im Begriff der „Arabischen Punkte“. Diese Technik hat ihre Ursprünge zwar bereits in der Antike, wurde aber erst von den Arabern in großem Umfang betrieben. Dabei werden Planeten, Aszendent und Medium Coeli (der höchste Punkt des Himmels) miteinander addiert oder subtrahiert. Der bekannteste dieser Punkte ist der Glückspunkt. Hier wird die Distanz von der Sonne zum Mond gemessen und dann vom Aszendenten abgetragen. Die Araber benutzten hunderte derartiger Punkte, und jeder Punkt konnte wiederum Ausgangspunkt zur Berechnung weiterer Punkte sein. Bei Al-Biruni finden sich zahlreiche Arabische Punkte wie die folgenden:

Triumph: Von Glückspunkt zum Saturn, abgetragen vom Aszendenten
Geheimnisse: Vom Herrscher des Aszendenten zum Medium Coeli, abgetragen von Aszendenten
Schicksal des Sultans: Von MC Konjunktion Merkur zum MC der Solarprogression, abgetragen vom Jupiter
Zeitdauer der Beschäftigung: Von der Sonne zum Saturn, abgetragen vom Aszendenten
Enthauptung: Vom Mond zum Mars, abgetragen von der Spitze des 8. Hauses

Ob für Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Meister, Sklaven, Geschäfte, Folter, Beruf, Berühmtheit, Erbe, Kinder, Liebe, Reitkunst, Schönheit oder Streit, ja sogar für Wein, Nüsse oder Oliven, für nahezu alles gab es einen eigenen Arabischen Punkt. Die Inflation astrologischer Deutungsfaktoren nahm bereits damals ihren Anfang. Es gab von den Arabischen Punkten so viele, dass man jederzeit alles und jeden berechnen konnte, zumindest im Nachhinein.

Arabischer Tierkreis

Alt-Arabischer Tierkreis

 

Westliche Astrologie in Persien und China

Erst in den 2000er Jahren haben Forscher herausgefunden, dass die westliche Astrologie über das Perserreich bis nach China gelangt ist, und das bereits im 8. Jahrhundert nach Christus. So zeigte der kanadische Tibetologe Jeffrey Kotyk (*1985), dass im China der Tang-Dynastie persische Astronomen am Hof des Kaisers tätig waren und so die iranische Astrologie, eine Mischung aus hellenistischen und indischen Einflüssen, ins ferne Asien brachten. Dort hielt sie sich mehrere Jahrhunderte als anerkannte Prognosedisziplin. Kotyk hat auch eine Reihe von spannenden Details aufgearbeitet. So wurden in der iranischen Astrologie des 8. Jahrhunderts nicht nur Sonne, Mond, die fünf Planeten und die Mondknoten (Drachenkopf und Drachenschwanz) verwendet, sondern auch ein Faktor namens Lilith. Die Umlaufbahn dieser unheilvollen, dunklen Dämonin entspricht dem erdfernsten Punkt der Mondbahn (Apogäum). In der modernen Astrologie wurde dieser Faktor erst in den 1960er Jahren neu entdeckt und seit den 1980er Jahren sehr populär. Sowohl die Berechnung, als auch die Deutung der modernen Lilith entsprechen verblüffend genau den iranischen Beschreibungen, obgleich es keinerlei Verbindung beider Traditionslinien gibt. Auch die Bilder und Beschreibungen der Planeten und Tierkreiszeichen zeigen eine große Ähnlichkeit mit den westlichen Vorbildern.

Westliche Astrologie in China

Die Tierkreiszeichen Widder bis Jungfrau in der Darstellung von Taizō zuzō 胎藏圖象 (1194)

Trotz der westlichen Einflüsse war die Astrologie in China noch in starker Verbindung zur Zeichendeutung. Der Himmel wurde beobachtet und diente auch optisch als Landkarte des Schicksals. Die Milchstraße entsprach dabei dem Gelben Fluss, dem markantesten Strom in der Topographie des Kaiserreichs. Und oberhalb und unterhalb der Milchstraße spiegelten sich die darunterliegenden Regionen Chinas nördlich und südlich des Gelben Flusses im Himmel. Ereigneten sich Konstellationen der Planeten in diesen Himmelsregionen, so betraf dies auch die entsprechende Region auf Erden.

Laut dem amerikanischen Sinologen David Pankenier (*1946) spielten hier Planetenballungen eine große Rolle. Besonders bedeutsam waren diese, wenn alle Planeten in einem Tierkreiszeichen versammelt waren. Das geschieht nur etwa alle 517 Jahre. Dieses seltene Ereignis wurde als Zeichen gesehen, dass die bestehende Ordnung einen großen Umbruch erfährt und das „Himmlische Mandat“ (Tianming) auf einen neuen Herrscher übergehen könnte. Und tatsächlich finden sich in der chinesischen Geschichte zu diesen großen Konjunktionen erstaunlich viele Umstürze und Dynastiewechsel. So läutete die Konjunktion von 1953 v. Chr. die Ära der Xia-Dynastie ein, jene von 1576 v. Chr. die Herrschaft der Shang und die Konjunktion von 1059 v. Chr. die Machübernahme der Zhou. Dabei fanden die Konjunktionen jeweils in den Himmelsregionen der entsprechenden Dynastien statt. Diese seltenen Himmelsereignisse machten offenbar einen derart mächtigen Eindruck auf Herrschende und Umstürzler, dass der Glaube Berge versetzte. Man muss sich den enormen motivierenden bzw. demoralisierenden Effekt eines solchen mächtigen Zeichens vorstellen, wenn es von allen Beteiligten geglaubt wird. Und so kann man gespannt sein auf die nächste große Konjunktion im September 2040. Denn ein solch seltenes Omen könnte wohl auch im modernen China eine gewisse Sogwirkung entwickeln.

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Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 114ff