Das Gruppenhoroskop – Einführung

Erstveröffentlichung im April 2016 in der Zeitschrift “Astrologie Heute” (Nr. 180)

In der Astrologie stehen seit vielen Jahrhunderten Einzelhoroskope im Mittelpunkt. Ob Menschen, Staaten, Organisationen oder Mundankonstellationen, in der Regel analysiert man einzelne Zeitpunkte. Will man diese miteinander in Verbindung bringen, so ist das aktuell nur für Zweierbeziehungen komfortabel möglich. Gruppen ab drei Personen hingegen werden mit dem herkömmlichen Instrumentarium schnell sehr unübersichtlich und entziehen sich somit einer systematischen Analyse.

Dabei ist im Sinne eines systemischen Ansatzes gerade die Zusammenschau der Beziehungen in einer Gruppe essentiell. Ob in der Familie, im Freundeskreis oder der Abteilung im Job, im Parteigremium, der Regierung oder am G8 Gipfel, in der Fußballmannschaft, der Rockband oder im Dschungelcamp, stets ist die Gruppe mehr als die Summe ihrer Individuen und Zweierbeziehungen. Hierfür hat Dr. Christof Niederwieser das Gruppenhoroskop entwickelt, eine spezielle Variante der Synastrie, mit welcher eine komfortable Zusammenschau von bis zu zwanzig Horoskopen möglich ist.

Nehmen wir einmal an, ein Klient kommt zu Ihnen und sagt: „In unserer Forschungsabteilung läuft es irgendwie nicht rund. Zwar arbeiten dort gute Ingenieure und Techniker. Die sind auch sehr fleißig, führen vorbildlich ihre Projektpläne. Aber wenn man am Ende des Geschäftsjahrs nach erfolgreichen, innovativen Produktentwicklungen sucht, dann ist da gar nichts. Können Sie uns weiterhelfen?“

Bisherige Tools der Gruppenanalyse

Man erhält die Geburtsdaten der Mitarbeiter dieser Abteilung. Und dann geht der Wahnsinn los. Astrologie liefert ein hervorragendes Instrumentarium, um den individuellen Charakter, die Stärken und Schwächen eines Menschen oder einer Organisation zu entschlüsseln. Auch die Entwicklung im Zeitverlauf (Transite, Progressionen, Direktionen, Häuserrhythmen etc.) und die Beziehungen von zwei Horoskopen zueinander lassen sich mit dem herkömmlichen astrologischen Werkzeug sehr gut analysieren. Deutlich schwieriger wird es hingegen, wenn man das Wesen und die Dynamik von Gruppen astrologisch entschlüsselt möchte. Ab drei Personen beginnt es mühsam zu werden.

Für solche Situationen haben Astrologen verschiedene Herangehensweisen entwickelt. Manchmal wird das Beziehungsgeflecht reduziert auf die Summe von Zweierbeziehungen. Man schaut sich den Vorgesetzten in Bezug zu den einzelnen Mitarbeitern an. Oder man analysiert problematische Zweierbeziehungen, etwa von Kollegen, die sich nicht riechen können. Was in der Abteilung insgesamt im Argen liegt, wird sich dadurch aber nicht ergründen lassen.

Andere Astrologen haben einen großen Schreibtisch oder eine große Wand, wo sie alle Einzelhoroskope nebeneinander positionieren und sich in stundenlangen Pirouetten darin versenken. Bei dieser Herangehensweise kann man durchaus mit Instinkt zum Ziel kommen. Es besteht aber immer die Gefahr, dass man in der Informationsflut wichtige Zusammenhänge übersieht. Zudem ist dieser Ansatz sehr zeitaufwendig.

Dann gibt es die bewährten Tools der Partneranalyse. Beim Composit werden die Halbsummen aus den einzelnen Horoskopfaktoren der beiden Partner berechnet und daraus ein neues Horoskop erstellt. Beim Combin werden aus den beiden Geburtszeiten und Koordinaten der Geburtsorte die arithmetischen Mittel gebildet und auf diese Daten das neue Horoskop berechnet. Beide gibt es auch in der Gruppenvariante als Multi-Composit bzw. Multi-Combin. Hier kann man beliebig viele Personen hinzufügen und erhält am Ende immer eine Horoskopgrafik in gewohnter Manier. Diese Horoskope zeigen sehr gut, was die Gruppe als eigenständige Wesenheit ausmacht. Die individuellen Horoskope verschwinden jedoch völlig in dieser Darstellung. Man hat keinen Ansatzpunkt mehr, um im Sinne der Organisationsentwicklung oder der systemischen Therapie gezielt Veränderungen in der Gruppe herbeizuführen.

Bleibt noch die Synastrie, welche viele Astrologieprogramme auch als Multi-Synastrie anbieten. Diese Ansicht eignet sich hervorragend für zwei Horoskope, einigermaßen für drei Horoskope. Mehr Horoskope sind in dieser Darstellung zwar möglich, werden aber rasch derart unübersichtlich, dass sie für eine Zusammenschau kaum noch brauchbar sind.

 

Beispiel: Gruppenhoroskop einer Forschungsabteilung

Das Gruppenhoroskop

Vor diesem Hintergrund habe ich vor einigen Jahren eine neue Darstellungsmethode entwickelt, welche sich besonders gut für Gruppen bis zu zwanzig Personen eignet. Im Gruppenhoroskop werden die Horoskope aller Personen im selben Tierkreis eingezeichnet. Dabei wird jeder Person eine eigene Farbe zugeordnet, um sie einfach voneinander unterscheiden zu können. Ab etwa zehn Personen werden die Farben durch geometrische Figuren ergänzt (Planeten in Kreisen, Dreiecken, Vierecken, Rauten etc.), damit die einzelnen Horoskope für das Auge eindeutig unterscheidbar bleiben.

Für die Gruppenanalyse aus der Vogelperspektive empfiehlt es sich, als Fixpunkt 0° Widder links zu platzieren. Anhänger der Hamburger Schule können hierfür natürlich auch wie gewohnt 0° Waage verwenden. Möchte man hingegen die Beziehung eines einzelnen Menschen zum Rest der Gruppe analysieren, so wähle ich die übliche Ansicht und positioniere seinen Aszendenten links. Die anderen Horoskope werden dann darum herumgebaut.

Die Farbsystematik

Um sich in Gruppenhoroskopen schnell zurechtzufinden, ist es von Vorteil, die Zuteilung der Farben zu den einzelnen Horoskopen systematisch vorzunehmen. Ich verwende beispielsweise für die Fokusperson (Klient, Abteilungsleiter etc.) immer die Farbe Schwarz. Die Farben der anderen Gruppenmitglieder kann man nach dem jeweiligen Element ihrer Sonnenzeichen (wahlweise auch Aszendenten oder MCs) vornehmen, also z.B. Rottöne für die Feuerzeichen, Blautöne für die Wasserzeichen, Grün/Brauntöne für die Erdzeichen und Gelb- oder Grautöne für die Luftzeichen. Man kann aber auch für Männer und für Frauen jeweils kalte und warme Farben verwenden oder für alte und junge Menschen dunkle und helle Farben.

Oft ist die passendste Farbgebung von der jeweiligen Gruppenstruktur abhängig. Finden sich in einer Gruppe sehr viele Personen mit demselben Alter, Geschlecht oder dominanten astrologischen Element, so wird dieses Kriterium für die Farbsystematik wenig geeignet sein. Gibt es in der Gruppe verschiedene Untergruppen – im Fall der Forschungsabteilung z.B. Produktschwerpunkte (Produktbereich A, B, C) oder Tätigkeitsschwerpunkte (Konstrukteure, Labor, Musterbau, Design, Patente etc.), so wird möglicherweise dies das zweckdienlichste Kriterium für die Farbsystematik sein. Den Varianten sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist hierbei nur, dass die Farbwahl Ihrer Intuition entgegenkommt und Sie sich schnell und zuverlässig darin zurechtfinden.

Die Ebene der Generationenprägung

In der einfachsten Variante werden sämtliche Faktoren im Innenkreis eingetragen. Um die Generationenprägung der Gruppe besser sichtbar zu machen, zeichne ich aber in der Regel Uranus, Neptun und Pluto in den Außenkreis ein. So ist schnell ersichtlich, welchen Generationsauftrag die Gruppenmitglieder als Prägung mitbringen, wie die Gruppe an Zeitgeistströmungen gekoppelt ist. So sehen wir im Innenkreis die persönlichen Veranlagungen (AC, MC, Mond bis Saturn) und im Außenkreis die Kulturbrille, die Einbettung in Moden, Trends und Generationen (Transsaturnier). Wenn es thematisch angeraten ist, dann trage ich dort auch die entsprechenden Kleinplaneten ein.

Eine getrennte Kollektivebene ist auch deshalb von Vorteil, weil wir einige Jahrzehnte lang eine Unwucht auf der rechten Tierkreishälfte hatten. Für die aktuell im Berufsleben stehenden Jahrgänge (ca. 1950 – 1995) befindet sich Pluto zwischen Löwe und Skorpion, Neptun zwischen Waage und Steinbock und Uranus zwischen Krebs und Steinbock. Trägt man alle Faktoren in den Innenkreis ein, so entsteht schnell der Eindruck, dass diese Zeichen überrepräsentiert wären. Schließlich hat eine eigene Kollektivebene den angenehmen Nebeneffekt, dass die Grafik dadurch nochmals übersichtlicher und aufgeräumter ist.

Generationenprägung der aktuell berufstätigen Jahrgänge

Generationenprägung der aktuell berufstätigen Jahrgänge

Die Fokusperson im Gruppenhoroskop

In Gruppen gibt es sehr oft eine zentrale Person, um die sich die anderen scharen. Meist ist dies der Gründer oder der Leiter der Gruppe. Im Beispiel sehen wir eine Abteilung für Forschung & Entwicklung eines mittelständischen Unternehmens. Wie häufig in der astrologischen Unternehmensberatung liegen nur die Mittagsstände und insofern keine Achsenpositionen vor. Der langjährige Abteilungsleiter ist in Schwarz eingezeichnet. Mit Sonne, Merkur, Mars und Saturn im Steinbock ist er ein sehr guter Verwalter, fleißig, hochzuverlässig und den Werten des Unternehmens und der Geschäftsführung stets verpflichtet. Die Steinbockdominanz macht ihn zu einem idealen Stellvertreter mit ausgeprägtem Sinn für das „Man-Prinzip“ (was man macht und was man nicht macht). Zu seinen Mitarbeitern pflegt er ein sehr korrektes, auf Gerechtigkeit bedachtes Verhältnis. Mit Mond und Mondknoten im Löwen hat er dabei ein ausgeprägtes Herz für die Menschen in seiner Abteilung. Er gewährt ihnen viele Freiheiten, setzt sich immer für Gehälter und Boni am oberen Limit ein und hält viele Unannehmlichkeiten von ihnen fern. „Meine Leute sollen sich auf Ihre Projekte konzentrieren können und dürfen bei der Arbeit nicht gestört werden!“

Im Recruiting sitzen Abteilungsleiter häufig an zentraler Stelle. Dabei wählen viele die Kandidaten durch die Wahrnehmungsbrille ihres eigenen Horoskops aus. Sie entscheiden sich für jemanden, der ihnen ähnlich und sympathisch ist und weniger für jemanden, der für das Stellenprofil die besten Voraussetzungen mitbringt. Gerade bei langjährigen Abteilungsleitern stelle ich in der Beratung sehr oft fest, dass diese ihre Mitarbeiter regelrecht um ihr eigenes Horoskop herumgebaut haben, sozusagen als Erweiterung ihrer eigenen Persönlichkeit. Auch in diesem Gruppenhoroskop ist die Umclusterung von Venus und Mond des Abteilungsleiters auffällig. Zahlreiche Mitarbeiter-Planeten kuscheln sich eng an sie.

Forschungsabteilung ohne Innovation

Die Kernaufgabe einer F&E Abteilung ist die Entwicklung von Innovationen. Die Produkte des Unternehmens sollten entsprechend dem neuesten Stand der Technik laufend an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Im Idealfall leistet die F&E Abteilung Pionierarbeit und erfindet neue technologische Lösungen, die es bislang in dieser Form noch nicht gab.

Diese Kernaufgabe wird durch die Zeichen Wassermann, Fische und Widder repräsentiert. Das schöpferische Potential des Unentdeckten, aus dem sich wie zarte Pflänzchen neue Ideen zaghaft herausschälen, liegt in den Fischen. Will man vollkommen neue Wege wagen, so muss man sich in diese Nebel und Meere des Unbekannten wagen. Unten herum reißt der Widder dieses Neuartige in die Erscheinung und rennt damit in die Welt hinaus. Er ist der Pionier, der die Idee durch spielerisches Erkunden und Ausprobieren vorantreibt, sich über Versuch und Irrtum an die Möglichkeiten der Umsetzung heranexperimentiert. Er ist der Innovationstreiber, der neue Impulse in die Gruppe bringt und – oft noch im chaotischen Zickzack – neue Projekte beginnt und dabei den ersten Stoßtrupp bildet.

Oben herum fliegt der Wassermann wie ein Vogel durch die Welt der neuesten Innovationen. Er sichtet die aktuellsten Erfindungen, Trends und Ideen, welche in der Szene kursieren, stets auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen, nach neuartigen Bauteilen, die er zur Verbesserung seiner eigenen Entwicklungen verwenden kann. In der Astrologie wird der Erfindergeist häufig im Wassermann bzw. bei seinem Herrscher Uranus lokalisiert. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn in erster Linie ist er der Bote, der die in den Fischen geborenen Neuheiten zusammenträgt und daraus seine Erfindungen zusammenbastelt.

Eine Forschungsabteilung sollte also ganz besonders die Zeichen Wassermann, Fische und Widder betont haben, um überhaupt echte Innovationen entwickeln zu können. Im Gruppenhoroskop des Beispiels hingegen ist dieser Sektor nahezu leer. Bereits auf den ersten Blick kann man erkennen, dass diese F&E Abteilung kaum in der Lage sein wird, erfolgreiche, innovative Produkte zu erfinden.

Zwar hat der Abteilungsleiter mit Jupiter im Wassermann durchaus ein ausgeprägtes Interesse an den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaftsszene und würde selbst gerne mehr Zeit mit Forschung verbringen. Er ist aber im Tagesgeschäft derart mit organisatorischen Verpflichtungen zugeschüttet, dass sein Jupiter im Wassermann de facto lahmgelegt ist. Ansonsten besetzt noch der andere Steinbock (grüne Farbe) die Innovationszone mit einen Fische-Mond und einen Widder-Mars. Aufgrund seiner niedrigen Ausbildung hat er es aber nur zum technischen Zeichner gebracht und verbringt seine Zeit mit dem Reinzeichnen bestehender Skizzen und Pläne. Seinen Experimentiertrieb lebt er nur privat in seiner Bastelwerkstatt aus.

Das restliche Team orientiert sich lieber am Bestehenden. Produktneuheiten sind in erster Linie Rekombinationen etablierter Produkte in neuen Farben, neuen Materialien und in neuer Verpackung. Besonders auffallend ist die enorme Planetenkonzentration der Abteilung im Löwen. Diese spiegelt sich bereits in den Räumlichkeiten. Während die Büros im Rest der Firma sehr beengend sind, ist die F&E Abteilung durch „historische Zufälle“ in einem sehr großen Raum mit viel Platz untergebracht. Jeder Mitarbeiter hat sich dort seine eigene Wohlfühl-Insel aufgebaut. Während in den anderen Abteilungen hektische Nervosität herrscht, wird hier getragen und würdevoll durch den Gang geschritten. Passend zur Löweballung gibt es in der Firma auch ein geflügeltes Wort: „Bei uns heißt F&E nicht Forschung und Entwicklung, sondern Freizeit und Erholung“. Während diese Löwedominanz beispielsweise in einer Marketingabteilung für exzellente Ergebnisse sorgen kann, war ihr Beitrag zu den Kernzielen der Forschungsabteilung überschaubar.

Systemische Lösungsansätze

Im Idealfall lassen sich solche Gruppendefizite durch die Neueinstellung von Mitarbeitern mit starker Besetzung der vakanten Tierkreisareale ausgleichen. Es ist aber nicht immer das notwendige Budget vorhanden, um den Headcount aufzustocken. Dennoch gibt es immer Mittel und Wege, die Situation im Rahmen des Möglichen zu verbessern. In diesem Fall gab es mehrere Stellschrauben:

So wurde ein Teil der Organisationsaufgaben vom Leiter an den Löwen (in roter Farbe) delegiert. Dieser entpuppte sich als ausgezeichneter Organisator und ging mit viel Engagement in seiner neuen Aufgabe auf. Dem Abteilungsleiter blieb dadurch mehr Zeit, sich bezüglich der technologischen Entwicklungen am aktuellen Stand zu halten und sich in der Forschung mehr einzubringen. Dem grünen Mitarbeiter mit Mond und Mars in der Innovationszone wurde ein Projekt im Bereich Grundlagenforschung übertragen. Ergänzend dazu bekam er trotz seines fortgeschrittenen Alters die Möglichkeit, mehrere Fortbildungen zu machen und regelmäßig Fachmessen und Kongresse zu besuchen. Auch er wuchs schnell in seine neue Rolle hinein und verblüfft seither regelmäßig das Team mit unkonventionellen Ideen und pragmatischen Lösungsansätzen, die ihm davor niemand zugetraut hätte.

Schließlich ergab es sich, dass durch eine notwendige Restrukturierung der hauseigene Werkzeugbau geschlossen werden musste, wobei der Betriebsrat die Übernahme von mindestens drei der zehn betroffenen Mitarbeiter ausgehandelt hatte. In der astrologischen Rasteranalyse sprangen mir gleich zwei Wassermänner des Jahrgangs 1962 ins Auge mit einer enormen Planetenballung in diesem Zeichen. In persönlichen Gesprächen entpuppte sich der eine schnell als extremer Widerspruchsgeist, mit dem es laut dem Vorgesetzten des Werkzeugbaus auch regelmäßig Auseinandersetzungen gab. Der andere war in seiner wilden Jugend als Punk um die Häuser gezogen und hatte deshalb keinen Schulabschluss. Durch eine mehr oder weniger unbeabsichtigte Familiengründung wurde er schließlich domestiziert und war als Hilfsarbeiter in die Firma gekommen. Durch seine schnelle Auffassungsgabe, seine eigenständige Arbeitsweise und seine pfiffigen Einfälle hatte er es bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter des Werkzeugbaus gebracht. Privat hatte er sich über die Jahre ein umfassendes Wissen angeeignet und verdutzte mich in Gesprächen unter anderem mit Ausführungen über Molekularstrukturen und Nietzsche-Zitaten. Einen Versuch war es wert. So wurde er als Hilfsassistent in die Forschungsabteilung versetzt. Er blühte dort regelrecht auf und entwickelte bald eine enorme Motivation. Mittlerweile hat die Firma sogar ein Patent auf seinen Namen angemeldet.

Darüber hinaus wurden in der Abteilung – neben einer Reihe von weiteren Maßnahmen – auch einige astrologische Prothesen installiert. Auf diese Möglichkeit werde ich zu gegebenem Zeitpunkt näher eingehen. Als ersten Einblick in das enorme Potential des Gruppenhoroskops sollen diese Ausführungen genügen.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten des Gruppenhoroskops

Das Gruppenhoroskop habe ich aufgrund der speziellen Anforderungen der Bereiche Personal und Organisation entwickelt. Auch für Marketing- und Brandingprojekte verwende ich es regelmäßig, beispielsweise für Marktanalysen, Wettbewerbsvergleiche und für die Positionierung und Repositionierung von Produkten und Marken. Die Anwendungsmöglichkeiten gehen aber natürlich noch viel weiter. Grundsätzlich ist das Gruppenhoroskop überall dort eine große Hilfe, wo man die Zusammenhänge von drei oder mehr Horoskopen analysieren möchte.

Ein wichtiger Bereich ist die systemische Familienanalyse. Hier kann das Gruppenhoroskop sehr schnell die Familienstruktur und die internen Beziehungsmuster aufzeigen. Dabei ist es auch spannend, die Ahnenketten und ihre Verstrickungen über mehrere Generationen zurückzuverfolgen. Auch im Bereich Partnerschaft ist das Gruppenhoroskop von großem Nutzen. Wer häufig an den oder die Falsche gerät, dem sei ein Gruppenhoroskop aller bisherigen Partner empfohlen. Es kommt sehr schnell zum Vorschein, welchen Suchmustern man bislang unbewusst gefolgt ist. Als drittes Beispiel möchte ich die Mundanastrologie nennen. Denn gerade hier ist die Zusammenschau vieler Horoskope oft unabdingbar und bislang sehr zeitaufwendig. Gruppenhoroskope der wichtigsten geopolitischen Staaten und Politiker, der Parteien oder der Regierung in einem Land oder der wichtigsten Firmen einer Branche sind hier ein gewaltiger Fortschritt. Man sieht auf einen Blick, wer z.B. gerade vom laufenden Saturn-Neptun-Quadrat betroffen ist und wer als Trägersubjekt dieser Konstellation in die nähere Auswahl kommt.

Diese und zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten des Gruppenhoroskops werde ich in Zukunft näher vorstellen. Einstweilen möchte ich Sie ermutigen, selbst damit zu experimentieren: Freundeskreis, Familie, Arbeitskollegen  bis hin zu wichtigen Zeitpunkten in Ihrem Leben. War Astrologie bislang vor allem auf einzelne Personen, Organisationen und Ereignisse beschränkt, so steht Ihnen nun die Welt der großen Zusammenschau offen.

Gruppenhoroskop SOFTWARE

Seit 2022 gibt es eine innovative Software, mit der man Gruppenhoroskope sehr einfach erstellen und analysieren kann: Die CHRONLEX Astrologie Software, welche Dr. Christof Niederwieser gemeinsam mit Torsten Wernecke entwickelt hat. CHRONLEX ist cloudbasiert und funktioniert somit auf allen Geräten und Betriebssystemen.

Gruppenhoroskop SEMINAR

Im jährlichen Online-Seminar “Das Gruppenhorokop in der Praxis” zeigt Dr. Christof Niederwieser live anhand vieler prominenter Beispiele, wie man diese neue Form der Kollektiv-Astrologie in der astrologischen Praxis anwendet. Dabei werden auch die speziellen Anwendungsmöglichkeiten auf Bereiche wie Teamentwicklung, Personalmanagement oder Familientherapie bis hin zur Mundanastrologie vorgestellt. Besondere Highlights sind dynamische Gruppenhoroskope im Zeitverlauf und die Ereignisanalyse mit dem Gruppenhoroskop.

Gruppenhoroskop BUCH

Im Buch “Das Gruppenhoroskop: Schlüssel zur Kollektiv-Astrologie” zeigt Dr. Christof Niederwieser anhand des vierstufigen Deutungssystems, wie man Gruppen Schritt für Schritt entschlüsseln kann:

  1. Kollektiv-Analyse: Was macht die Gruppe in ihrer Gesamtheit aus?
  2. Rollenverteilung: Wie positionieren sich die einzelnen Mitglieder im Kontext der Gruppe?
  3. Gruppendynamik & Beziehungsmuster: Wie sind die Mitglieder miteinander vernetzt? Wie interagieren sie miteinander?
  4. Fokus-Perspektive: Wie sieht ein einzelnes Mitglied den Rest der Gruppe aus seiner persönlichen Wahrnehmungsperspektive?

Der astrologische Kondratieff-Zyklus

Erstveröffentlichung im August 2015 in der Zeitschrift “Astrologie Heute” (Nr. 176)

Eines der meistdiskutierten Prognosemodelle der modernen Zukunftsforschung ist der Kondratieff-Zyklus. Dieser geht davon aus, dass es im globalen Wirtschaftsleben ein regelmäßiges Muster von Aufschwung und Abschwung gibt, welches sich über 50 bis 60 Jahre erstreckt. Ausgangspunkt sind kollektive Paradigmenwechsel aufgrund von neuen Basistechnologien, welche Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Christof Niederwieser hat in seinen Forschungen einen engen Zusammenhang des Kondratieff-Zyklus mit dem astrologischen Uranus-Pluto-Zyklus identifiziert und auf dieser Grundlage das Modell zum Astro-Kondratieff erweitert.

Zyklen sind die Grundlage des astrologischen Weltbilds. Der Kreislauf von Geburt, Wachstum, Höhepunkt, Rückzug und Neubeginn spiegelt sich vom Mondzyklus über den Lauf der Sonne und Planeten durch den Tierkreis bis hin zu den Aspekten der Planeten zueinander. Aus diesem Geflecht astrologischer Zyklen entsteht die individuelle Zeitqualität eines Moments, einer Phase, einer Epoche.

Nikolai Kondratieff

Nikolai Kondratieff

Auch in anderen Wissenschaften spielen Zyklen eine Rolle. In Philosophie und Geschichte finden sich beispielsweise die Kreisläufe der Staatsformen von Platon, Aristoteles und Cicero oder die Kulturkreislehren von Giambattista Vico, Leo Frobenius, Oswald Spengler und Arnold Toynbee. Aus den Wirtschaftswissenschaften kennen wir Konjunkturzyklen, Börsenzyklen oder den Produktlebenszyklus. Und es stellt sich die Frage, inwieweit diese Zyklen Entsprechungen in astrologischen Konstellationen finden.

Einer der wohl bekanntesten Zyklen der Volkswirtschaftslehre ist der Kondratieff-Zyklus, benannt nach seinem Entdecker Nikolai Kondratieff (1892 – 1938), dem ersten Direktor des Konjunkturinstituts in Moskau. 1926 veröffentlichte er den Artikel „Die langen Wellen der Konjunktur“ und wies darin empirisch einen Zyklus von 45 bis 60 Jahren nach. Er untersuchte einen Großteil des damals zur Verfügung stehenden historischen Datenmaterials: die langfristige Entwicklung der Warenpreis-Indizes, Zinsraten, Staatsanleihen, Außenhandelsumsätze, Kohle-, Stahl-, und Roheisenproduktion, Privatersparnisse oder der Gehälter verschiedener Branchen. Der Zyklus zeigte sich im Großteil dieser Datenreihen deutlich. Stets folgte einer Aufschwungphase von ca. 25 Jahren eine ähnlich lange Abschwungphase.

Neue Basistechnologien als Konjunkturmotor

Schließlich ging er der Frage nach, welche empirischen Muster mit diesem Zyklus verbunden sind. Und er fand einen starken zeitlichen Zusammenhang mit beachtlichen Veränderungen des Wirtschaftslebens. Zu Beginn jedes Zyklus stehen technische Innovationen, welche die Produktion und die Märkte revolutionieren. Dabei zählt nicht der Zeitpunkt der Erfindung, sondern jener, zu welchem die neuen Technologien erstmals breite praktische Anwendung finden und so viel Kapital akkumulieren können, dass Investitionen in den neuen Markt profitabel werden.

So leitete die Industrielle Revolution mit den Innovationen Dampfmaschine und mechanischer Webstuhl den ersten Zyklus ein. Diese Basistechnologien führten etwa ab 1790 zu einem 25-jährigen Wirtschaftsaufschwung. Die neuen Industrien erlebten einen gewaltigen Boom. Um 1815 war der Höhepunkt dieser Technologien erreicht. Das Wachstumspotential war ausgeschöpft. Es folgten Abschwung und schließlich Rezession. Während dieser Abschwungphase des ersten Zyklus wurden die Basistechnologien des zweiten Zyklus erfunden. Kondratieff nennt vor allem die Erfindung der verkehrstauglichen Dampflokomotive (1824), der Turbine (1824-27), des Portlandzements (1824), der Erntemaschine (1831), des Telegraphen (1832), der Rotations-Druckmaschine (1846) und der Saatmaschine (1847).[i]

Die zunehmende praktische Nutzung dieser Neuerungen leitete ab 1850 den zweiten Zyklus ein. Neuer Wachstumstreiber und Konjunkturmotor waren die Bereiche Massentransport und Kommunikation. Eisenbahn- und Telegraphennetze wurden über die Länder gezogen. Für ein Vierteljahrhundert erlebte die Wirtschaft einen gewaltigen Boom bis 1873 die Spekulationsblase auf Eisenbahnaktien platzte. Der Gründerkrach leitete einen etwa zwanzigjährigen ökonomischen Abschwung ein.

In den 1890ern begann der dritte Zyklus. Neue Basisinnovation war die Elektrizität. Sie sorgte für unzählige neue Produkte und Wirtschaftszweige. In Verbindung mit der Erfindung des Fließbands entstand so die moderne Massenproduktion. Der dritte Zyklus brachte den Übergang zur Konsumgesellschaft. Kondratieff war 1926 der Ansicht, dass auch dieser Zyklus die Grenzen seines Wachstums erreicht habe und eine Krisenzeit bevorstand.[ii] Er sollte Recht behalten. Drei Jahre nach seiner Veröffentlichung leitete der „Schwarze Donnerstag“ die bis dato schwerste Weltwirtschaftskrise der Geschichte ein und stürzte das globale Wirtschaftssystem in eine Dekade der Depression.

Der Kondratieff-Zyklus

Der Kondratieff-Zyklus

Der Kondratieff-Zyklus heute

Kondratieffs Theorie war anfangs nur in Insiderkreisen bekannt. Dies änderte sich 1939, als der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter (1883 – 1950) sein Werk „Konjunkturzyklen“ veröffentlichte. Er behandelte darin eingehend den Kondratieffzyklus, bestätigte ihn auf Basis der jährlichen Großhandelspreise der USA und gab ihm auch seinen Namen.[iii] Die Reaktionen in der Volkswirtschaftslehre waren gespalten, nicht zuletzt da drei Wiederholungen zu wenig waren, um von einem endgültigen Beweis der langen Wellen sprechen zu können. Umso interessanter ist die Frage, inwieweit sich das Kondratieff-Muster in den vergangenen 70 Jahren bestätigt hat.

Im beginnenden 21. Jahrhundert sind die langen Wellen nach wie vor ein vieldiskutiertes Thema, vor allem in den Bereichen Innovations- und Zukunftsforschung. Autoren wie Leo Nefiodow, Carlota Perez oder Erik Händeler gehen davon aus, dass es seit den Zeiten von Kondratieff und Schumpeter zwei weitere Wellen gegeben hat, welche das Muster fortschreiben. Die Abbildung zeigt den üblicherweise angenommenen Verlauf:

Demnach begann Mitte der 1940er Jahre mit dem aufstrebenden Automobilsektor und der Flugindustrie der vierte Kondratieff-Zyklus. Zentrales Leitthema war die individuelle Mobilität. Im Laufe von 30 Jahren expandierte dieser neue Markt so rasch, dass schließlich in den Industriestaaten fast jeder Haushalt motorisiert war und Flugreisen auch für den Massenmarkt erschwinglich wurden. Höhe- und Wendepunkt ist markiert durch die Ölkrisen der 1970er Jahre. Von da an ging die Wirtschaft wieder bergab und das Wachstum musste sich eine neue Basisinnovation suchen.

Der fünfte Kondratieff nahm schließlich in den 1980er Jahren seinen Anfang mit der aufstrebenden Informationstechnologie. Computer wurden zum Werkzeug für jedermann. Internet und Mobiltelefone breiteten sich aus und verknüpften alsbald Millionen von Menschen miteinander. Elektronische Produkte dominierten zunehmend den Markt.

Als 2001 schließlich die New Economy Blase platzte, sahen viele Kondratieff-Anhänger den Höhepunkt dieser Welle gekommen und prognostizierten für die Zukunft eine Talbewegung, in der sich die Basisinnovationen des kommenden sechsten Kondratieff entwickeln würden. Als Favoriten werden vor allem die Bereiche Umweltschutz, ganzheitliche Gesundheit und Bio/Medizintechnik gehandelt und unter dem Leitthema „Gesundheit für Mensch und Umwelt“ zusammengefasst.[iv]

Kritik des Kondratieff-Modells

Das Kondratieff-Modell ist bis heute populär. Als eine der ganz wenigen volkswirtschaftlichen Theorien erlaubt es konkrete langfristige Wirtschaftsprognosen. Und es erklärt anschaulich die großen Wachstumstreiber der vergangenen 200 Jahre. Über Details wie die genaue zeitliche Abgrenzung oder die Bezeichnung der Leitmotive gehen die Meinungen zwar auseinander. Doch sind sich viele Forscher einig, dass an den Kondratieffwellen „etwas dran ist“. Dennoch gibt es einige Kritikpunkte, insbesondere methodologischer Natur.

So ist umstritten, ob sich das Wellenmuster auch tatsächlich in empirischen Wirtschaftsdaten nachweisen lässt. Sucht man nämlich in statistischen Zeitreihen nach der gleichförmigen Wellenform, so wird man nicht sofort fündig. Die Daten verschiedener Jahrzehnte und Jahrhunderte sind nicht direkt miteinander vergleichbar, sondern müssen zuerst „geglättet“ werden. Methoden der Datenerhebung ändern sich im Lauf der Zeit. Verschiedene Länder berechnen Indikatoren unterschiedlich. Zusammensetzung und Definition von Branchen und Warenkörben ändern sich. Die Datenreihen müssen um Faktoren wie die Inflation oder Währungsumstellungen bereinigt werden und so weiter. Die Methoden der Datenbearbeitung bestimmen dabei wesentlich die endgültige Form der Kurve. Und je nach Methode erhält man schließlich die Kondratieffwelle oder auch nicht.

Kondratieff-Jünger umgehen dieses Problem elegant, indem sie bei der grafischen Darstellung des Zyklus zwar die Jahrzehnte auf der X-Achse angeben. Die Y-Achse bleibt aber in der Regel unbeschriftet. “Auf makroökonomischer Ebene lassen sich die langen Wellen tatsächlich nicht nachweisen”, räumt die venezolanische Innovationsforscherin Carlota Perez ein. „Schaut man aber auf die Ebene der Innovationen und bezieht auch gesellschaftliche und soziale Aspekte mit ein, dann sind die langen Wellen klar erkennbar – auch wenn sich die Veränderungen nicht oder erst später im BIP zeigen oder sich große Wellen überlappen.“[v]

Neben diesen methodologischen Unschärfen gibt es auch inhaltliche Kritikpunkte. Betrachtet man die Fortschreibung des Zyklus durch Kondratieffs Nachfolger, so ergeben sich einige Unstimmigkeiten zum tatsächlichen Zeitgeschehen:

  1. Abschwung des Elektrizitäts-Kondratieff bereits ab 1920? Kondratieff selbst prognostizierte 1926, dass der Abschwung der Elektrizitäts-Welle unmittelbar bevorstünde. Seine Nachfolger legten den Höhepunkt in die Zeit um den 1. Weltkrieg. Dies erfolgte wohl in erster Linie aus Symmetriegründen, da sonst zu wenig Zeit für den Abschwung bis zum Beginn des Automobil-Kondratieff in den 1940ern bleiben würde. Abgesehen vom generellen Wirtschaftseinbruch durch den 1. Weltkrieg war die Elektrotechnik um 1920 aber noch lange nicht an ihre Wachstumsgrenze gelangt.
  2. Individuelle Mobilität erst ab den 1940er Jahren? Für Automobil und Flugindustrie wird der Beginn der Welle erst ab den 1940er Jahren postuliert. Die Basistechnologien beider Bereiche hatten aber bereits um 1900 Marktreife erlangt. Seither boomten Automobilbranche und Flugunternehmen und waren auch sehr bald für den Massenmarkt erschwinglich. So wurden bereits zwischen 1908 und 1927 allein von Fords „Model T“ über 15 Millionen Stück verkauft. Vom Beginn eines Booms der „individuellen Mobilität“ erst ab ca. 1945 zu sprechen ist insofern nicht plausibel.
  3. Abschwung des IT-Kondratieff bereits ab 2001? Um die Jahrtausendwende wurde von den meisten Kondratieff-Anhängern angenommen, dass der Zyklus Informationstechnologie mit dem Platzen der New Economy Blase 2001 seinen Höhepunkt überschritten hatte und sich seither im Abschwung befindet. Das Gegenteil war der Fall: durch Smartphones und Tablets boomt Mikroelektronik heute mehr denn je. Das Internet-Business hat erst nach Platzen der Blase lukrative und tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt und zählt seit Jahren zu einer der größten Wachstumsbranchen weltweit. IT-Firmen wie Apple, Google, Facebook oder Samsung gehören mittlerweile zu den wertvollsten Marken der Welt. Tendenz weiterhin steigend. Von einem Abschwung der IT-Welle war in den vergangenen 15 Jahren keine Spur.

Was war geschehen? Hat sich das Kondratieff-Muster nach seiner Entdeckung in den 1920er Jahren in Luft aufgelöst? Oder wurde das Modell von Kondratieffs Nachfolgern in der steten Jagd nach dem nächsten Trend falsch fortgeschrieben? Hierauf kann die Astrologie eine deutliche Antwort geben.

Der Kondratieffzyklus und Uranus-Pluto

Sucht man in der Astrologie nach einem langwelligen Zyklus, der aufgrund neuer Basistechnologien tiefgreifende Umwälzungen des Wirtschaftslebens und der Gesellschaft auslöst, verbunden mit neuen Machtsystemen und Denkmodellen, mit einschneidenden kollektiven Paradigmenwechseln, dann gibt es einen Archetypen, der diese Inhalte sehr gut wiederspiegelt: Uranus-Pluto. Neue Einfälle und technische Erfindungen (Uranus) sprengen althergebrachte Machtsysteme und Denkmodelle (Pluto) und werden zum neuen Leitbild für die Massen (Pluto).

Am massivsten tritt dieser Archetyp bei den mundanen Hauptaspekten in den Zeitgeist: Konjunktion, Opposition und Quadrat. Prof. Richard Tarnas empfiehlt in seinem Werk „Cosmos and Psyche“ einen Orbis von 15° für die Konjunktion/Opposition und 10° für die Quadrate.[vi] Dies hat sich in meinen Forschungen bestätigt. Denn gerade beim Ein- und Austritt in diese Orben finden sich zahlreiche große Revolutionen und Wirtschaftskrisen als die offensichtlichsten Manifestationen des Umbruchs. Daraus ergibt sich eine Kernphase von etwa 7 bis 10 Jahren, in welcher der technologisch induzierte Paradigmenwechsel kulminiert.

Vergleicht man nun die astrologischen Uranus-Pluto-Auslösungen mit den Wendepunkten der Kondratieffwellen, so tritt erstaunliches zu Tage: sie sind bis zur Entdeckung in den 1920er Jahren identisch. Dabei markieren die Konjunktion und die Opposition den Beginn der Kondratieffzyklen. Die Quadrate fallen genau in die Jahre, in denen die Zyklen ihren Höhepunkt erreichen und der Abschwung beginnt.

Horoskop Nikolai Kondratieff

Horoskop Nikolai Kondratieff (16.03.1892, Witschuga = 04.03.1892 julianisch, RR X)

Es scheint, dass Nikolai Kondratieff (16.03.1892, Witschuga) ein feines Gespür für Zeitgeist-Qualitäten hatte und den Zyklus mit einer Mischung aus Intuition (Sonne-Jupiter-Konjunktion in den letzten Fische-Graden…) und harter Detailarbeit an rauen Datenmengen (…in Opposition zu Saturn Ende Jungfrau) entdeckt hat. Eine Beeinflussung durch die Astrologie kann dabei ausgeschlossen werden, da Pluto erst vier Jahre nach Veröffentlichung der „Theorie der langen Wellen“ entdeckt wurde.

Danach driften die Wendepunkte des Kondratieffzyklus und die Uranus-Pluto-Auslösungen deutlich auseinander. Ab dem von Kondratieffs Nachfolgern postulierten Automobil-Zyklus Mitte der 1940er Jahre besteht kein Zusammenhang mehr. Dies lässt sich einfach erklären: Pluto hat eine stark elliptische Umlaufbahn. So braucht er in Sonnennähe nur 11 Jahre, um das Zeichen Skorpion zu durchlaufen. In Sonnenferne hingegen dauert der Durchlauf des Zeichens Stier 31 Jahre. Dadurch verläuft auch der Uranus-Pluto-Zyklus sehr unregelmäßig. Befindet sich Pluto in den fernen Zeichen, so vergehen nur 50-60 Jahre zwischen Konjunktion und Opposition. Dies war im von Kondratieff untersuchten Zeitraum 1790 bis 1920 der Fall. Kommt Pluto in Sonnennähe, so verlängert sich die Periode erheblich. Von der letzten Konjunktion Mitte der 1960er Jahre bis zur nächsten Opposition Mitte der 2040er Jahre vergehen 80 Jahre. Allein bis zum aktuellen Quadrat dauerte es ganze 50 Jahre, was einer 50-jährigen Aufschwungphase entspricht. Nehmen Kondratieffs Anhänger gemeinhin an, dass sich die letzten beiden Zyklen deutlich verkürzt haben auf etwa 35 Jahre, so legt der Uranus-Pluto-Zyklus das Gegenteil nahe: die aktuelle Kondratieff-Welle dauert mit 80 Jahren besonders lange.

Der Dritte Astro-Kondratieff 1900-1965: Globale Vernetzung

Wie sieht nun der astrologische Kondratieff-Zyklus aus, der direkt an Nikolai Kondratieff anknüpfend die Periodizität von Uranus-Pluto berücksichtigt? Die erste Welle (Dampfmaschine) und die zweite Welle (Eisenbahn) sind deckungsgleich. Auch die dritte Welle beginnt synchron um das Jahr 1900. Jedoch beschränkt sich diese nicht auf Elektrotechnik und Massenproduktion. Sie beinhaltet auch die Bereiche Automobil, Flugindustrie und Massenmedien, welche in diesem Zeitraum ebenfalls zur Marktreife gelangten und ihr rasantes Wachstum begannen. Umfassende Elektrifizierung aller Lebensbereiche, Massenproduktion am Fließband, die ersten Automobilkonzerne, das Motorrad, die ersten Luftfahrtunternehmen, Linien-Zeppeline und Motorflugzeuge, Transatlantik-Funk, Radio, Kino, all das entstand während der wenigen Jahre als Uranus im Schützen und Pluto in den Zwillingen in Opposition standen.

Wir sehen hier nicht nur die Uranus-Pluto-Signatur des technologisch induzierten Paradigmenwechsels bestätigt. Durch die Position im Tierkreis lässt auch die Morphologie genauer beschreiben: Die Zwillinge-Schütze-Achse steht für Bewegung und Vermittlung zwischen der kleinen Welt der unmittelbaren Nachbarschaft und der großen Welt, die hinter dem Horizont liegt. Pluto in Zwillinge wälzt dabei Bereiche wie Technik, Kommunikation, Medien, Funktionelles, Fortbewegung, Handel um. Die behäbigen, massiven Apparaturen der Materieumwälzung von Pluto im Widder/Stier (Zweite Welle Massenmobilität), lernen nun in den Zwillingen das Laufen, werden flink und geschmeidig, feingliedrig und differenziert. Anstelle der trägen Großmaschinerien der zweiten Welle flitzen nun wendige Insektenschwärme spezialisierter Technologien in alle Richtungen über den Erdball und verästeln sich in sämtliche Lebensbereiche hinein. Die materiellen Nervenbahnen werden um den Globus gelegt. Uranus im Schützen gibt dabei die Stoßrichtung vor: in alle Horizonte gleichzeitig – The Sky is no Limit.

Der Zyklus der „Globalen Vernetzung“ (dieses Leitmotiv umfasst auch den Beginn der „individuellen Mobilität“ und der „modernen Konsumgesellschaft“ als Unterthemen) stößt zu Beginn der Quadratur (1928-1937) an seine Grenzen. Ein Jahrzehnt der Weltwirtschaftskrise und das Aufkommen faschistischer Diktaturen fallen in diesen Zeitraum und markieren den Wendepunkt in die Abschwungphase. Dem Zweiten Weltkrieg folgt in vielen Ländern ein Wirtschaftswunder, welches aber nicht auf neuen Basisinnovationen gründet, sondern auf dem Wiederaufbau. Erst in den 1960er Jahren wird der Zeitgeist wieder von einer Flut neuer Ideen und radikalen Paradigmenwechseln erfasst.

Der Vierte Astro-Kondratieff 1965-2045: Information

Pünktlich zur folgenden Uranus-Pluto-Konjunktion in der Jungfrau (1961-1971) kommt der nächste Innovationsschub. Einerseits findet der Zyklus der „Globalen Vernetzung“ seine Vollendung durch die Eroberung des Weltraums: Ab 1962 beginnt die Ära der zivilen Kommunikationssatelliten. Die menschliche Expansion in den Raum wird gekrönt durch die erste bemannte Mondlandung 1969 und die erste Weltraumstation Saljut 1 im Jahr 1971. Damit erreicht die Ausdehnung der globalen Vernetzung vorerst ihren Höhepunkt. Die materiellen Verbindungen und Verkehrswege im Sinne der Zwillinge/Schütze-Achse sind gelegt. Die Nervenbahnen der globalisierten Menschheit haben ihr Netz um den Globus gespannt. Ab den 1960ern verlagert sich der Fokus auf die innere Expansion. Im Sinne der Jungfrau widmen sich die neuen Basis-Innovationen zunehmend der Qualität und Quantität der durchs globale Nervensystem gejagten Einheiten. Diese werden immer kleiner, differenzierter, detaillierter, komplexer, schneller.

Mikrochip Intel 4004

Die Basis-Technologie des Vierten Astro-Kondratieff: Der erste Mikrochip Intel 4004

So entstanden in den 1960er Jahren die Basistechnologien für den neuen Zyklus: der moderne Computer, das Internet (ursprünglich „Arpanet“), die Informationstechnologie, Elektronik und Nanotechnologie. Was für den ersten Astro-Kondratieff die Dampfmaschine war, ist für den Vierten Astro-Kondratieff der Mikroprozessor, der gegen Ende der Uranus-Pluto-Auslösung 1971 erstmals Marktreife erlangte in Form des „Intel 4004“.

Leitthema des aktuellen Astro-Kondratieff ist die „Information“. Und die Jungfrau zieht alle Register, um ein Maximum an Information zu generieren, zu analysieren und zu verwerten. Ihre Charakteristika prägen seither den Zeitgeist: Optimierung, Rationalisierung, Perfektionierung, Differenzierung, Spezialisierung, Systemisierung, Detailorientierung, Miniaturisierung. Wie der Berliner Astrologe Werner Held betont, ergeben sich daraus die jungfrautypischen Begriffe des sozialen Strukturwandels: die Dienstleistungsgesellschaft, die Wissensgesellschaft, aber auch die Sicherheits- und Kontrollgesellschaft.[vii]

Immer detaillierter, immer genauer, immer präziser, immer regulierter, immer am arbeiten, sortieren, absichern. Die Jungfrau ist der Spähtrupp, der das Revier und die Erlebniswelten des Löwen unermüdlich erweitert und dabei selbst auf das Leben vergisst. ADHS, Multitasking, permanente Informationsüberflutung, Überwachungswahn durch Big Data, Heerscharen von Compliance Managern die versuchen, ihre Unternehmen durch die wuchernden Dschungel neuer Regulierungen und Gesetze zu navigieren – nun da wir uns in der Kernphase des Uranus-Pluto-Quadrats befinden (Exaktheit 2012-2015), kommen vermehrt die Schattenseiten zum Vorschein. Der Vierte Astro-Kondratieff hat seinen Höhepunkt erreicht.

Der astrologische Kondratieff-Zyklus

Der astrologische Kondratieff-Zyklus von Dr. Christof Niederwieser

Der Blick in die Zukunft

Der Astro-Kondratieff erklärt nicht nur anschaulich die großen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte. Er erlaubt auch einen konkreten Ausblick auf die Zukunft. Wie geht es weiter nachdem der Informations-Zyklus aktuell an seinem Wendepunkt angelangt ist? Welche gesellschaftspolitischen Implikationen sind in den kommenden Jahren zu erwarten? Welche derzeit entwickelten Innovationen haben das Zeug, als neue Basis-Technologien den Fünften Astro-Kondratieff ab den 2040er Jahren zu prägen?

Nicht nur für die Politik, auch für die strategische Unternehmensführung, das Innovationsmanagement und für die langfristige Investitionsplanung sind diese Fragen von essentieller Bedeutung. Der Astro-Kondratieff kann hier wertvolle Antworten geben.

Der Neo-Kondratieff

In diesem ersten Artikel aus dem Jahr 2015 habe ich ein paar grundlegende Eckpfeiler des astrologischen Kondratieffzyklus skizziert. Eine noch ausführlichere und aktuellere Darlegung gibt es in meinem Buch “PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit” (Zukunftsverlag 2020) im Kapitel “Der Neo-Kondratieff von Christof Niederwieser”.

Literatur

Ulrich EBERL: Zukunft 2050 – Wie wir schon heute die Zukunft erfinden, Beltz & Gelberg, Weinheim 2011

Erik HÄNDELER: Die Geschichte der Zukunft – Sozialverhalten heute und der Wohlstand von mor-gen (Kondratieffs Globalsicht), Brendow Verlag, Moers 2005

Nikolai KONDRATIEFF: The Long Wave Cycle, Richardson & Snyder, New York 1984

Anja MÜLLER: Das Comeback von Kondratieff, Handelsblatt vom 18.04.2010

Leo NEFIODOW: Der sechste Kondratieff – Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeital-ter der Information, Rhein-Sieg Verlag, Sankt Augustin 2001

Joseph SCHUMPETER: Konjunkturzyklen – Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1961

Richard TARNAS: Cosmos and Psyche – Intimations of a New World View, Plume: New York 2007

Werner HELD: Die 10 großen astrologischen Weltbeweger – die Langsamläuferzyklen von Jupiter bis Pluto, Rockradio-Sendung „Kosmos & Psyche“ am 13.05.2014

Quellen

[i] Kondratieff (1984), S. 60ff

[ii] Kondratieff (1984), S. 103ff

[iii] Schumpeter (1939), S. 481ff

[iv] Eberl (2011), S. 12f, Nefiodow (2001), Händeler (2005)

[v] Müller (2010)

[vi] Tarnas (2007), S. 148

[vii] Held (2014), 12min00 ff

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Die Wiederentdeckung der Astrologie in der Moderne

Im Abendland erlebte die Astrologie ihre Hochblüte in der Renaissance. Astrologie galt als die Königswissenschaft an den Universitäten und Fürstenhöfen. Im Lauf des 17. Jahrhunderts wurde die Astrologie von den aufkommenden Naturwissenschaften zunehmend kritisch gesehen. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) gaben die zunehmend sensationslüsternen Prognosen der Astrologen den Menschen noch Halt. Doch ab den 1650er Jahren setzte ein rascher Verfall ein. Die Sternenkunst schien im Vergleich zu den wissenschaftlichen Entdeckungen in Physik und Technik zunehmend antiquiert. 1666 wurde die Astrologie schließlich in Frankreich von den Universitäten verbannt und kurz darauf in ganz Europa ins Reich des Aberglaubens verwiesen. So versank die Astrologie in einen langen Dämmerschlaf, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. So entstand die Astrologie der Moderne.

Wiederentdeckung durch Theosophen und Rosenkreuzer

Alan Leo

Alan Leo

Als Vater der modernen Astrologie wird häufig der englische Theosoph Alan Leo (1860 – 1917) genannt. Er entrümpelte die klassische Astrologie und verpackte sie in ein zeitgemäßes Gewand. Sein Lehrgebäude war im Vergleich zur traditionellen Astrologie deutlich vereinfacht und leichter verständlich. Zudem verlagerte Leo den Schwerpunkt weg von den Schicksalsprognosen und hin zur psychologischen Charakterdeutung. Mit seiner Datensammlung „1001 Notable Nativities“ legte er den Grundstein für die empirische Astrologie. Darin waren die Horoskope von 1.001 berühmten Persönlichkeiten und historischen Ereignissen angegeben. Dieses Werk galt jahrzehntelang als Datenbibel für forschende Astrologen. Leo war aber auch ein findiger Geschäftsmann und erkannte als Erster das Erfolgspotential der Trivialisierung. Indem er die Komplexität eines Geburtshoroskops auf den Sonnenstand reduzierte, konnte er erstmals ein Millionenpublikum erreichen. Die „Sternzeichen-Astrologie“ mit ihren zwölf Menschenschubladen war geboren und mit ihr die populären Zeitungshoroskope. Er war auch der Erste, der Horoskope mit Hilfe von Textbausteinen erstellte. Mit diesen beiden Kunstgriffen waren Horoskope keine aufwändige Maßarbeit mehr. Sie konnten am Fließband produziert und günstig an ein Massenpublikum verkauft werden.

Evangeline Adams

Evangeline Adams

Im angelsächsischen Raum waren die ersten modernen Astrologen vornehmlich Mitglieder von esoterischen Zirkeln und spirituellen Vereinigungen, insbesondere der Theosophen und der Rosenkreuzer. Die bekanntesten von ihnen waren der Rosenkreuzer Max Heindel (1865 – 1919), die Theosophin Alice Bailey (1880 – 1949) und C.C. Zain (1882 – 1951), Gründer der „Church of Light“. Eine herausragende Figur dieser Frühphase war die erste Astrologin Amerikas, Evangeline Adams (1868 – 1932). Sie stieß auf reges Medieninteresse und machte die Sterndeutung erst so richtig populär. Grund dafür waren zahlreiche frappante Prognosen, welche ihr zugeschrieben wurden. So soll sie den Brand des Winsor Hotels in New York 1899 ebenso vorhergesagt haben wie den Börsencrash von 1929, den Zweiten Weltkrieg oder den Tod von König Edward VII. Zu ihren Klienten zählten zahlreiche Prominente wie der Opernsänger Enrico Caruso oder der berühmte Finanzguru John Piermont Morgan, dem bis heute gerne der Spruch zugeschrieben wird: „Millionäre verwenden keine Astrologie – Milliardäre schon.“ 1911 und 1914 wurde sie wegen Wahrsagerei angeklagt. Vor Gericht überzeugte sie den Richter von ihren astrologischen Fertigkeiten, sodass sie freigesprochen wurde. In den Medien, welche den Prozess mit regem Interesse verfolgt hatten, wurde dies als wissenschaftlicher Beweis für die Astrologie interpretiert. So wurde Adams zur ersten großen Medienastrologin. Sie erhielt ihre eigene Radiosendung und 1930 auch eine eigene Zeitungskolumne.

Astrologie im deutschen Sprachraum

Um die Jahrhundertwende gelangte die wiederentdeckte Astrologie auch in die deutschsprachigen Länder. Einer der ersten Pioniere war Karl Brandler-Pracht (1864 – 1939). Er veröffentlichte 1905 sein Erstwerk „Mathematisch-instruktives Lehrbuch der Astrologie“. In den folgenden Jahrzehnten gründete er astrologische Gesellschaften und Forschungsgruppen in vielen österreichischen, deutschen und schweizerischen Städten, sowie mehrere Zeitschriften. Brandler-Pracht gilt als Grand Signor der modernen deutschsprachigen Astrologie. Viele bekannte Astrologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Schüler von ihm.

Große Astrologen der Zwischenkriegszeit: Karl Brandler-Pracht, Frank Glahn und Johannes Vehlow

Nach dem Ersten Weltkrieg begannen für die Astrologie zwei Jahrzehnte enthusiastischer Aufbruchsstimmung. Zahlreiche Doktoren und Professoren beschäftigten sich ernsthaft mit ihr. Man war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis die Astrologie mit modernen technischen Mitteln bewiesen und als Wissenschaft etabliert werden könnte. Viele Astrologen aus jener Zeit sind bis heute legendär, etwa Johannes Vehlow (1890 – 1958), der mit seinem achtbändigen Monumentalwerk „Lehrkursus der wissenschaftlichen Geburtsastrologie“ (ab 1925) eine systematische Sammlung des astrologischen Wissens von der Antike bis in die Gegenwart erarbeitete. Sein Häusersystem, welches den Aszendenten in die Mitte des 1. Hauses legt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Großen Einfluss auf die Entwicklung der deutschsprachigen Astrologie hatte auch Frank Glahn (1865 – 1941). Sein erstes Astrologie-Buch „Erklärung und systematische Deutung des Geburtshoroskopes“ erschien 1923. Während der Verdienst von Brandler-Pracht oder Vehlow vor allem im Sammeln und Zusammenstellen des überlieferten Wissens besteht, glänzte Glahn durch innovative Techniken und Neuerfindungen. Auf ihn gehen etwa die heute sehr populären Häuserrhythmen zurück.

Die Hamburger Schule

Den revolutionärsten und technisch komplexesten Ansatz begründete der Vermessungstechniker Alfred Witte (1878 – 1941) mit der Hamburger Schule. Er präsentierte sein System ab 1919 in einigen Artikeln und war damit alsbald in aller Munde. Witte hatte im Laufe des Ersten Weltkrieges tausende Horoskope von Kameraden berechnet und dabei feststellen müssen, dass tiefgreifende Ereignisse wie Bombenangriffe, Verwundungen oder Hochzeiten mit den klassischen Methoden oft gar nicht im Horoskop ersichtlich waren. Er verglich die Geburtsbilder von Menschen mit ähnlichen Erlebnissen, sowie von Menschen mit gleichen Geburtstagen, und fand dabei heraus, dass darin zu den fraglichen Zeiten stets dieselben Tierkreispositionen ausgelöst waren. Diese Positionen wanderten langsam. So vermutete Witte, dass es sich dabei um noch nicht entdeckte Planeten jenseits der Neptunbahn handeln müsse. Anhand der Fallkurve der bekannten Planeten berechnete Witte Entfernung und Umlaufzeit dieser Punkte und kam so auf die Bahnen seiner vier zusätzlichen Planeten: Cupido, Hades, Zeus und Kronos. Witte nannte diese unentdeckten Himmelskörper jenseits der Neptunbahn Transneptuner.

Wann immer etwa jemand von der Front Heimurlaub bekam, um einer großen Familienfeierlichkeit beizuwohnen, war Cupido ausgelöst. Tod, Vernichtung, Verwesung, Schmutz oder Dirnen und Diebe wurden von Hades angezeigt. Den Punkt, der Blitzangriffe, Dampfmaschinen oder Schussverletzungen auslöste, nannte Witte Zeus. Kronos stand für Herrschaft und Autorität, für das Hohe und Erhabene. Folgende Liste zeigt in kurzen Stichpunkten Umlaufzeiten und Bedeutung der von Witte gefundenen Transneptuner. Sie wurden später von Wittes Schüler Friedrich Sieggrün (1877 – 1951) auf acht erweitert.

 

    Umlaufzeit Bedeutung
Uranian-Astrology-Cupido Cupido 262 Jahre Familie, Ehe, Kunst, Gemeinschaft
Uranian-Astrology-Hades Hades 361 Jahre Einsamkeit, Mangel, Schmutz, Krankheit
Uranian-Astrology-Zeus Zeus 456 Jahre Führung, Zeugung, Ziele, Feuer, Maschinen
Uranian-Astrology-Kronos Kronos 522 Jahre Selbständigkeit, Staat, Herrscher, Größe
Uranian-Astrology-Apollon Apollon 576 Jahre Ruhm, Erfolg, Ausdehnung, Wissenschaft
Uranian-Astrology-Admetos Admetos 618 Jahre Hemmung, Trennung, Stillstand, Rotation
Vulkanus 663 Jahre Größte Kraft, Macht, Energie, Gewalt
Uranian-Astrology-Poseidon Poseidon 740 Jahre Geist, Idee, Erkenntnis, Licht, Erleuchtung

Die Transneptuner der Hamburger Schule

Die zweite Neuerung Wittes waren die sogenannten Planetenbilder. Die klassische Astrologie kennt nur Beziehungen zwischen zwei Planeten, sofern diese bestimmten Winkeln, den Aspekten, entsprechen. Wittes Planetenbilder hingegen bestehen aus drei oder mehr Planeten, sofern einer davon genau in der Mitte zwischen den zwei anderen liegt. Die Einführung dieser Halbsummen erlaubte in Verbindung mit den Transneptunern viel differenziertere Aussagen als die traditionelle Astrologie. So konnten die Häuser und Tierkreiszeichen, die zwei Grundprobleme der Astrologie, in der Deutung weitgehend vernachlässigt werden. Der Schwerpunkt lag nun auf den Planetenbildern.

Gerade in Zeiten ohne Computer bedeutete dies einen erheblichen mathematischen Mehraufwand. Dafür stand die Hamburger Schule in dem Ruf, die bei weitem exaktesten Prognosen und die höchste Treffsicherheit erzielen zu können. Anhand zahlreicher Experimente belegten ihre Schüler die Überlegenheit ihres Systems gegenüber den anderen astrologischen Schulen. Sie berechneten auf den Tag genau die Geburt eines Kindes oder sagten exakt die Sieger und Siegerrunden von Boxkämpfen voraus. Auch die Berechnung des Verbleibs verschwundener Personen wird in der Liste der Erfolge aufgeführt. Inwieweit derartige Treffer die Ausnahme oder die Regel waren, bleibt offen. Jedenfalls waren die Hoffnungen groß, dass Wittes System die Astrologie schon bald als exakte Wissenschaft etablieren würde. Nicht umsonst pflegten die Vertreter der Hamburger Schule, ihre astrologischen Deutungsregeln in mathematische Formeln zu verpacken. Ihre Bibel war das „Regelwerk für Planetenbilder“ (Erstauflage 1928). Darin finden sich hunderte Formeln wie:

Mond + Cupido – Widder = Hochzeiten. Allgemeine Geselligkeitsvereine. Öffentliche Bälle und Gesellschaften.
Venus + Uranus – Mars = Heiße, jedoch verfeinerte Sinnlichkeit. Plötzliche Bekanntschaften, die sich intim gestalten.
Mondknoten + Hades – Zeus = Wegen Mängel scharf zurechtgewiesen werden. Infolge Verbrechens mit der Polizei in Berührung kommen. Durch Brand in Mitleidenschaft gezogen werden.
Sonne + Kronos – Neptun = Konfuse Autorität. Unfähige Leitung. Durch führende oder selbständige Personen Täuschung oder Ablehnung erfahren. Durch Staatsgewalt vernichtet. Fürstenabsetzung. Wenn = Merkur: der konfuse Leiter oder der intuitiv Führende.

Die Hamburger Schule bleibt bis heute auch innerhalb der Astrologieszene ein Kuriosum. Einerseits genießen viele ihrer Anhänger hohes Ansehen, insbesondere im angelsächsischen Raum, wo Wittes Lehre als „Uranian Astrology“ bis heute populär ist. Andererseits konnte sich der extrem mathematische Ansatz nie in der Breite durchsetzen. Er war zu kompliziert und detaillistisch für eine Massenbewegung. Viele Astrologen störte auch das stark deterministische Gepräge der Jünger Wittes. Ihr Anspruch, eine exakte Wissenschaft zu betreiben, ließ keinen Platz für den freien Willen. Alles und jeder war präzise berechenbar. Man darf dabei allerdings nicht übersehen, dass diese starke Schicksalsorientierung bis weit in die Nachkriegszeit hinein in der Astrologie sehr verbreitet war.

Hamburger-Schule-Berechnung

Auszug aus einer Berechnung der Hamburger Schule, Alfred Witte (1924)

Am meisten Ablehnung brachten der Hamburger Schule die Transneptuner. Die Existenz dieser acht zusätzlichen Planeten wurde aus der Analyse tausender Horoskope abgeleitet. Doch bis heute konnte keiner dieser Körper astronomisch entdeckt werden. Zudem machte es viele Astrologen misstrauisch, als man 1930 den neunten Planeten Pluto entdeckte, dieser aber keinem der Witte-Planeten entsprach. Auch mit den zehntausenden Transneptunischen Objekten im Kuiper-Gürtel, welche seit 1992 entdeckt wurden, haben die Hamburger Transneptuner bis auf ihren Namen keine Übereinstimmung, weshalb man diese mittlerweile lieber als „Wirkpunkte“ und nicht mehr als Planeten bezeichnet. So führt die Hamburger Schule bis heute ein Exotendasein, wenngleich ihre Leistungen in der Astrologieszene als unbestritten gelten. Die Halbsummen und die Spiegelpunkte, zwei von Witte (wieder)entdeckte Techniken, sind mittlerweile Allgemeingut der Astrologie.

Die Kosmobiologie von Ebertin

Ursprünglich ebenfalls Anhänger der Hamburger Schule war einer der bekanntesten Astrologen des 20. Jahrhunderts, Reinhold Ebertin (1901 – 1988). Er war der Sohn der ersten professionellen Astrologin Deutschlands, Elsbeth Ebertin (1880 – 1944), welche in der Zwischenkriegszeit alljährlich die astrologische Jahresvorschau „Ein Blick in die Zukunft – Unabwendbare Geschehnisse in nächster Zeit“ verfasste. 1928 gründete er den Ebertin-Verlag und gab die Fachzeitschrift „Neue Sternblätter“ heraus, welche 1933 in „Mensch im All“ umbenannt wurde. Diese wurde schnell zu einem der wichtigsten Sprachrohre der deutschen Astrologie. Ludwig Rudolph, einer der Hauptvertreter der Hamburger Schule, oder der bekannte Chirologe und Physiognom Ernst Issberner-Haldane publizierten zahlreiche Artikel darin. Ab 1932 erschien die Wochenzeitschrift „Der Seher“ und erreichte alsbald eine Auflage von über 50.000 Stück.

Ebertins Bekanntheit ist auch seinem Organisationstalent zu verdanken. 1932 organisierte er den „Kongreß astrologischer Pioniere“ mit über 600 Teilnehmern. Dort war alles versammelt, was in der damaligen Astrologieszene Rang und Namen hatte. Ein Ziel dieses Kongresses war, die ausufernde Methodenflut der Astrologie kritisch zu sichten und die erfolgreichsten Techniken herauszufiltern. Dazu stellte Ebertin im Laufe der Zeit 75 praktische Aufgaben. Jeder Astrologe, jede Schule konnte diese mit ihren bevorzugten Methoden lösen. Anhand der richtigen oder falschen Ergebnisse wurde dann eine Bewertung der Techniken vorgenommen. Auf dieser Grundlage entwickelte sich im Laufe der 1930er Jahre die „Methode Ebertin“, später auch Kosmobiologie genannt. Die erste Auflage von Ebertins Hauptwerk „Kombination der Gestirneinflüsse“ erschien schließlich nach dem Krieg und gilt bis heute als Standardwerk der Astrologie.

Die „Methode Ebertin“ ist weniger ein eigenständiger Deutungsansatz, als vielmehr eine eklektische Zusammenfassung der allgemein anerkanntesten Methoden. Ebertin übernahm von jeder Schule, was ihm am brauchbarsten erschien und nahm daran zahlreiche Vereinfachungen vor. Darin liegt der große Erfolg seiner Kosmobiologie begründet. Von der Hamburger Schule übernahm Ebertin die Halbsummentechnik und die 90-Grad-Scheibe. Die Transneptuner hingegen verwarf er. Zudem wendete er sich von der einseitigen Ereignis- und Schicksalsorientierung der Lehre Wittes ab und betonte die psychologische Seite viel stärker. Um das Problem der verschiedenen Häusersysteme zu vermeiden, verzichtet seine Methode vollkommen darauf.

Astrologenverfolgung im Dritten Reich

Thomas Ring

Thomas Ring

Wie viele Astrologen der Zwischenkriegszeit, versuchte auch Ebertin anfangs, sich mit dem Naziregime zu arrangieren. Er war Mitbegründer der „Geistigen Front, Reichsvereinigung für wissenschaftliche und praktische Menschenkenntnis, Berlin“. In seinen Zeitschriften fanden sich Artikel über Germanentum, Rassenphysiognomik oder den „Heilsgruß als Zeichen des Charakters“ ebenso wie Horoskopanalysen Adolf Hitlers, welche seine Sendung als großer Führer astrologisch bestätigten. Der Verein bemühte sich jedoch vergeblich um einen berufsständischen Aufbau für Astrologen im „Kampfbund für Deutsche Kultur“. Obwohl Nazigrößen wie Heß und Himmler dem Okkultismus sehr zugetan waren, gerieten die Astrologen im Dritten Reich alsbald auf die Schwarze Liste. 1939 wurde die Astrologische Zentralstelle aufgehoben und Astrologie verboten. Nach der Flucht von Rudolf Heß wurden 1941 in einer großen Welle zahlreiche Astrologen verhaftet und deportiert. Astrologiebücher wurden tonnenweise beschlagnahmt und verbrannt. Viele Astrologen wie beispielsweise Karl Ernst Krafft oder Hubert Korsch starben im KZ. Alfred Witte kam seiner Verhaftung durch Selbstmord zuvor. Thomas Ring entging seiner Deportation nur knapp, indem ihn der bekannte Freiburger Parapsychologe Hans Bender (1907 – 1991) zum Direktor des Grenzwissenschaftlichen Instituts der Universität Straßburg ernannte und so außer Landes verhalf.

Bis heute sind die deutschen Astrologen der Zwischenkriegszeit in aller Welt legendär. Wie in kaum einem anderen Land der Moderne hatte die Astrologie in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eine rasante Entwicklung genommen und selbst in wissenschaftlichen Kreisen großes Interesse hervorgerufen. Man hatte sich bereits an den Toren zu den Universitäten gewähnt. Doch das Dritte Reich brachte gleich eine doppelte Zäsur. Einerseits war die Astrologie in der Öffentlichkeit als zwielichtige okkulte Praktik stigmatisiert durch ihr Liebäugeln mit dem Naziregime bis 1939. Andererseits wurden viele ihrer wichtigsten Vertreter und Werke durch die Terrorherrschaft ausgelöscht.

Das Dritte Reich am besten überstanden hat die Kosmobiologie von Reinhold Ebertin. In der Nachkriegszeit gelang es ihm, seinen Verlag wieder aufzubauen und seine Lehren auch in Amerika und Australien populär zu machen. Bis in die 1980er Jahre hinein war Ebertin als Astrologe aktiv. Im Gegensatz zu vielen deutschen Kollegen war er auch international sehr aktiv und legte so einen wichtigen Grundpfeiler für die Astrologie der Moderne. Seit seinem Tod verlor jedoch auch seine Lehre stark an Strahlkraft. Der Ebertin-Verlag ging schließlich 2005 in Konkurs. Die Hamburger Schule wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Ludwig Rudolph (1893 – 1982) und später von dessen Sohn Udo fortgeführt. Die großen Tage waren allerdings vorbei. Die große Revolution der Astrologie blieb aus. Heute wird das System der Hamburger Schule leider nur noch von wenigen Astrologen praktiziert. Mit innovativen Ansätzen hatte die “Uranian Astrology” die Astrologie der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg eingeleitet. Doch heute wirkt sie auf viele moderne Astrologen sonderbar antik und fremdartig.

Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 132ff

Astrologie in der frühen Neuzeit

Im Zeichen der islamischen Expansion verbreitete sich die arabische Astrologie ab dem 8. Jahrhundert über Spanien bis an die Grenzen des Frankenreichs. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert wurden zahlreiche arabische und jüdische Werke ins Lateinische übersetzt. Morgenländische Magie, Kabbala und Astrologie gelangten so in den abendländischen Kulturkreis und nahmen dort alsbald eine eigenständige Entwicklung. Von der Kirche wurde die Sternenwahrsagung lange als „inhaltsleere Betrügerei” verboten. Erst christliche Theologen wie Thomas von Aquin (1225 – 1274) erarbeiteten die weltanschaulichen Grundlagen, um die Astrologie mit dem Christentum zu vereinbaren. Die europäischen Fürsten und Könige begannen, Hofastrologen zu beschäftigen. Einer der ersten großen Astrologen des Abendlandes war der italienische Mathematiker Guido Bonatti (1223 – 1300). Als Hofastrologe Friedrichs II. von Hohenstaufen und dem Grafen Montefeltro erlangte er mit seinen Prognosen Berühmtheit. Bis heute berufen sich Astrologen auf seine Werke. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte Johannes Campanus, Mathematiker von Papst Urban IV., ein neues Häusersystem, welches erstmals nicht die Ekliptik als Grundlage nahm, sondern den Himmelsraum des Geburtsortes.

Hochblüte in der Renaissance

In der Renaissance gelangte die Astrologie zur Hochblüte. Europa war erfasst vom wiedergeborenen Geist der Antike. In allen größeren Städten wurden Universitäten gegründet, um den neuen Wissensreichtum zu institutionalisieren. Hier durfte auch die Astrologie nicht fehlen, welche lange Zeit als Königswissenschaft galt. Auch die Kunst war geprägt von astrologischen Allegorien.

Die zwölf Tierkreiszeichen im Letzten Abendmahl von Leonardo Da Vinci

Die zwölf Tierkreiszeichen in Leonardo Da Vincis „Abendmahl“ (1494 – 1497)

So wurden die zwölf Jünger im berühmten Gemälde „Das Abendmahl“ von Leonardo Da Vinci (1452 – 1519) in Mimik, Gestik und Physiognomie den zwölf Tierkreiszeichen nachempfunden. Die Reihe beginnt rechts mit Simon, dem Zeloten, als direkten, kämpferischen Widder und endet links mit Bartholomäus als teilnahmslos beobachtenden Fisch. Die Jünger sind in vier Dreiergruppen angeordnet, welche den vier astrologischen Quadranten entsprechen. Jeder Jünger nimmt die für sein Tierkreiszeichen typische Haltung ein: Simon, der Widder, entschlossen und impulsiv, Thaddäus, der Stier, nackenbetont und an sich haltend, Matthäus, der Zwilling, jugendlich-glatt und wild gestikulierend, Philippus, der Krebs, inbrünstig in Gefühlen schwelgend, der ältere Jakobus, Löwe, in expressiver, strahlender Haltung, der ungläubige Thomas, die Jungfrau, warnend den Zeigefinder erhebend.

Zur linken von Jesus folgen die Herbstzeichen: Johannes, die Waage, unentschlossen abwägend, Judas, der Skorpion, verstohlen zurückweichend, den Geldbeutel fest an sich haltend, Petrus, der religiös-kämpferische Schütze, eilig und die Reihenfolge missachtend Johannes ins Ohr flüsternd. Schließlich folgen die drei Winterzeichen, der vierte Quadrant. Während alle anderen Apostel mit sich selbst und ihren Gedanken und Gefühlen beschäftigt sind, betrachten die Winterzeichen aus der Distanz das Geschehen: der alte, glatzköpfige Andreas, Steinbock, ängstlich abwehrend die Hände erhebend, der jüngere Jakobus, Wassermann, seine Freunde brüderlich umarmend und schließlich der stumm betrachtende Fisch Bartholomäus, der einzige Jünger, dessen Füße (traditionell den Fischen zugeordnet) zu sehen sind. Wie für seine Zeit üblich, hat auch Da Vinci in diesem berühmten Werk astrologisches Gedankengut eingearbeitet. Er wurde hierbei vermutlich von seinem engen Freund, dem Schweizer Astrologen Konrad Fürst beraten.

Albrecht Dürer "Sol Iustitiae"

Albrecht Dürer “Sol Iustitiae”

Auch in den Bildern von Albrecht Dürer (1471 – 1528) finden sich zahlreiche astrologische Allegorien. So ist sein Kupferstich „Melencholia I“ (1514) eine kunstvolle Ansammlung der Analogieketten des Planeten Saturn. Wohl am offensichtlichsten ist die astrologische Symbolik im Kupferstich „Sol Iustitiae“ (um 1500). Die personifizierte Sonne sitzt auf einem Löwen. In ihrer erhobenen Hand hält sie ein Schwert, in ihrer gesenkten Hand eine Waage. Dies symbolisiert die astrologischen Würden der Sonne. Nach traditioneller Lehre beherrscht die Sonne den Löwen, ist im Widder (Symbol Schwert) erhöht und in der Waage im Fall. In den Gemälden und Bildern aus der Renaissance-Zeit finden sich unzählige derartige Allegorien. Zahlreiche weitere Beispiele finden sich im Buch „Astrologie in der Kunst“ von Klemens Ludwig.

Weltuntergangsprophezeiungen

Auch wenn das Ansehen der Astrologie in der Renaissance auf dem Höhepunkt war, gab es bereits zu jener Zeit Kritik. Einer der einflussreichsten Gegner der Astrologie war der italienische Humanist Pico della Mirandola (1463 – 1494). In seinem posthum veröffentlichten Werk „Disputationes adversus astrologiam divinatricem“ wandte er sich scharf gegen die Astrologie. Er schlug vor, die astrologischen Thesen statistischen Tests zu unterziehen, um ihre Nutzlosigkeit zu beweisen. Mirandola kritisierte vor allem die deterministische Astrologie, welche das Schicksal des Menschen als unabänderliche Konsequenz der Sternenbahnen auslegte. Und in der Tat brachte die Renaissance nicht nur eine gewaltige geistige Expansion, sondern gleichzeitig ein letztes großes Aufbäumen des Aberglaubens. Zahlreiche Weltuntergangsprophezeiungen wurden aus den Sternen gelesen, um das Volk in Angst und Schrecken zu versetzen. Vor allem Planetenballungen in einem Zeichen gaben Anlass zu düsteren Prognosen.

So wurde das Aufkommen der Syphilis mit der vorangegangenen großen Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn im Zeichen des Skorpions erklärt. Das Zusammentreffen dieser zwei langsamsten Planeten galt als Königskonstellation und wurde vor allem für Mundanprognosen als äußerst bedeutsam erachtet. Bei der Konstellation vom Oktober 1484 befanden sich zudem auch alle anderen Himmelskörper bis auf Mars im Skorpion, dem Zeichen der Geschlechtsorgane. Eine Geschlechtsseuche schien den Astrologen der Renaissance nur logische Konsequenz dieser Konstellation zu sein. Der bekannte Astrologe Johannes Lichtenberger (1426 – 1503) hingegen prognostizierte aus der Konjunktion das Kommen eines Propheten, der die Kirche revolutionieren werde. Als einige Jahrzehnte später Martin Luther die protestantische Reformation anführte, wurde dies als Beweis für die Richtigkeit von Lichtenbergers Weissagungen angesehen. Schließlich war Luther 1483, nur ein Jahr vor der Konstellation, im Zeichen des Skorpions geboren worden.

Astrologische Flugschrift zur "Grossen Wässerung" 1523 von Leonhard Reymann

Astrologische Flugschrift von Leonhard Reymann (1523): Die Konjunktion aller Planeten im Zeichen der Fische wird eine große Sintflut bringen

Besonders spektakulär war die Prophezeiung einer großen Sintflut für das Jahr 1524. Der bekannte Astrologe Johannes Stöffler (1452 – 1531) hatte diese bereits im Jahr 1499 vorausgesagt. Seine Schüler, insbesondere der erste Astrologe Brandenburgs, Johannes Carion (1499 – 1537), hielten bis zum verheißenen Jahr an dieser Prophezeiung fest und veröffentlichten zahlreiche reißerische Schriften zu diesem Thema. Ausgangspunkt der Sintfluterwartungen war eine Konjunktion sämtlicher Planeten im Zeichen der Fische im Februar 1524. Carion schilderte in seiner Schrift „Prognostication und erklerung der großen wesserung“ (1521) ausführlich die kommenden Auswirkungen dieser Konstellation. Er sagte zerstörerische Unwetter und Überschwemmungen voraus, welche Missernten, Hungersnöte und Seuchen nach sich ziehen würden. Des Weiteren prophezeite er Zwietracht und Uneinigkeit zwischen den geistlichen und weltlichen Führern, welche 1525 „grosses blutvergießen des Christlichen volckes“ und „Niderdrückung grosser Häupter“ bringen würden.

Die bekannteste Darstellung dieser Sintflutprophezeiung ist die 1523 veröffentlichte Flugschrift „Practica vber die grossen und manigfeltigen Coniunction der Planeten, die im jar 1524 erscheinen vn vngezweiffelt vil wunderparlicher ding geperen werden“ von Leonhard Reymann. Im oberen Teil des Titelbildes sieht man einen großen Fisch, in dessen Körper sich ein Toter sowie Sonne, Mond und die fünf Planeten befinden. Aus seinem Bauch ergießt sich die große Flut, welche alles hinfortschwemmt. Im unteren Teil des Bildes stehen sich König, Papst und Geistlichkeit auf der rechten Seite und die von Saturn angeführten Bauern auf der linken Seite feindlich gegenüber.

Je näher der 19. Februar 1524 rückte, desto mehr gerieten die Menschen in Panik. Die Reichen kauften sich Schiffe, um die Sintflut zu überleben. Die Armen beteten zu Gott um Gnade. Doch die große Wässerung blieb aus. Die Sintflut kam nicht. Dies tat dem Ruhm der Astrologen jedoch keinen Abbruch. Reymann veröffentlichte 1526 einfach eine weitere Schrift über die Planetenballung in den Fischen. Die Sintflut war vom Titelbild verschwunden. Stattdessen waren nur noch die feindlich einander gegenüberstehenden Bauern und Feudalherren abgebildet. Obwohl die große Wässerung ausgeblieben war, lobte Reymann die Treffsicherheit der Astrologie. Auf das Jahr 1524 zurückblickend sprach er von einer Konstellation, deren Folgen durch Weisheit nicht verhütet werden konnten und konzentrierte sich auf die Darstellung des Deutschen Bauernkrieges von 1525. Zwar war dieser zum Zeitpunkt der Prognosen schon deutlich in der Luft gelegen. Doch im Nachhinein konnte man die Diagnose zur Prognose machen und so als Erfolg für die Astrologie ausgeben.

Cardanus und Nostradamus

Derartige Kunstgriffe waren in der Renaissance-Astrologie üblich. So war auch die scharfe Kritik von Pico della Mirandola nicht verwunderlich. Dennoch erfreute sich die Astrologie noch für viele Jahrzehnte großer Anerkennung. Herausragende Forscher beschäftigten sich mit ihr, unter anderem Paracelsus (1493 – 1541) oder der italienische Arzt und Mathematiker Hieronymus Cardanus (1501 – 1576), dessen „Metoposcopia“ wir bereits im zweiten Prognostik-Band kennengelernt haben. Cardanus war ein Pionier der Wahrscheinlichkeitsrechnung und hat sich mit diesem Wissen durch Glücksspiel sein Studium finanziert. Zudem war er der Erste, der mit negativen und komplexen Zahlen gerechnet und eine Methode zur Lösung von Gleichungen dritten und vierten Grades entwickelt hat. Cardanus war als größter Arzt seiner Zeit berühmt und heilte zahlreiche Könige und Fürsten. Zudem galt er als hervorragender Physiognom und Astrologe. Cardanus nahm es mit seinen astrologischen Prognosen sehr genau. So sagte er König Eduard VI. von England voraus, dass er mit 55 Jahren, 3 Monaten und 17 Tagen tödlich erkranken werde. Tatsächlich verstarb Eduard bereits im Alter von 16 Jahren. Cardanus schreckte auch nicht davor zurück, seinen eigenen Tod auf die Stunde genau vorherzusagen. Als diese Stunde schließlich gekommen, er jedoch immer noch bei bester Gesundheit war, nahm er sich im Alter von 75 Jahren das Leben. So erfüllte sich wenigstens diese Prophezeiung.

Ein weiterer großer Astrologe des 16. Jahrhunderts war Nostradamus (1503 – 1566). Seine Zenturien wurden bereits im ersten Prognostik-Band vorgestellt und faszinieren mit ihrer kryptischen Sprache bis heute die Menschen. Dabei rätseln Experten seit Jahrhunderten, ob hinter den symbolisch-chiffrierten Versen ein elaborierter Code steckt oder es sich einfach um Projektionsflächen handelt, die immer auf irgendwelche Ereignisse passen. Sein Medium waren jährliche Almanache, welche jeweils Vorhersagen für das kommende Jahr enthielten. Diese Werke waren damals sehr populär und brachten ihren Verfassern häufig weit mehr Einnahmen als die astrologischen Beratungen. Nimmt man den Verkauf von astrologischen Jahresalmanachen im deutschen Sprachraum als Indikator, so erreichte die Astrologie den Höhepunkt ihrer Popularität 1580 – 1610. Danach setzte ein langsamer Niedergang ein.

Die Astrologie von Johannes Kepler

Im Lauf des 17. Jahrhunderts geriet die Astrologie schließlich immer mehr in das Eck des Aberglaubens. Die Erfindung des Fernrohrs und die zunehmende Akzeptanz des Kopernikanischen Weltbildes entmystifizierten den Sternenhimmel und mit diesem die Astrologie. Die letzten großen Astronomen, welche sich ebenso als Astrologen hervortaten, waren der Däne Tycho Brahe (1546 – 1601) und sein Schüler Johannes Kepler (1571 – 1630). Beide lehnten weite Teile der damaligen Astrologie bereits als unwissenschaftlich ab, glaubten aber dennoch an die Macht der Sterne. Insbesondere Kepler versuchte, die Sternendeutung von ihrem unseriösen, marktschreierischen Ballast zu befreien und ihr ein neues wissenschaftliches Fundament zu geben, welches den Ansprüchen seiner Zeit Genüge tun sollte. 1602 erschien seine kurze Schrift über die gesicherten Grundlagen der Astrologie, „De Fvndamentis Astrologiae Certioribvs“. Darin legte er seine Astrologietheorie dar und verwarf zahlreiche etablierte Methoden als Unsinn, beispielsweise die klassischen Planetenwürden oder die Arabischen Punkte. Dafür führte er neue Aspekte in die Astrologie ein: das Quintil, das Biquintil und das Halbsextil. Zudem machte er seine Vorhersagen für das Jahr 1602. Ein großer Teil bestand aus Wetterprognosen:

„Das Stationärwerden des Merkur nun ruft zum größten Teil Winde hervor, die verhältnismäßig reich an Dunst sind, und örtlich auch Schnee- oder Regenfälle. Solche haben wir zu erwarten um den 17. Januar, den 20. April, den 12. Mai, den 15. August, den 6. September und den 9. und 31. Dezember. (…) 4. Januar: Sonne Konjunktion Merkur – Schneefälle oder Winde, wie die allgemeine Disposition es zulassen wird. Um den 10./11. sechs äußerst starke Aspekte – durchweg milde, mit Schnee vermischte Regenfälle. (…) Vom April erwarte ich, dass er anfangs seiner Natur gemäß Wärme bringt durch das Biquintil von Mars und Sonne, dass es regnerisch ist wenigstens zwei Tage vor und nach Vollmond. Es sind nämlich alle Planeten an der Konstellation beteiligt.“

Horoskop von Johannes Kepler für Albrecht Wallenstein

Horoskop von Johannes Kepler erstellt für Albrecht von Wallenstein, 1608

Die letzten Seiten dieser Abhandlung widmete Kepler den Ereignisprognosen. Er gab die Tage des Jahres an, welche für ihn erhöhte Gefahr von Krankheiten und Pest, sowie von Kriegshandlungen bargen. Vergleicht man seine Vorhersagen mit den Almanachen, welche noch hundert Jahre zuvor üblich gewesen waren, so fällt Keplers starke Zurückhaltung in Bezug auf konkrete, exakte Prognosen auf. Die Konstellationen zwingen nicht, sie machen lediglich geneigt.

Kepler machte nicht nur astrologische Kalender. Er erstellte auch Horoskope und war kaiserlicher Mathematiker und Astrologe am Hof von Kaiser Rudolf II. in Prag. Diesem widmete er seine Rudolfinischen Tafeln, die bei weitem exaktesten Planetenbahnberechnungen seiner Zeit. Im Jahr 1608 verfasste er sein wohl bekanntestes Horoskop für einen anonymen Auftraggeber, welcher Jahre später zum mächtigsten Heerführer des Dreißigjährigen Kriegs aufsteigen sollte, Albrecht von Wallenstein. Wallenstein war von der Qualität des Horoskops derart beeindruckt, dass es sein Leben prägte. Seine Biographie weist erstaunliche Parallelen zu den Prognosen Keplers auf.

Keplers Hauptwerk „Harmonice Mundi“ (1619) war schließlich der Versuch, das naturwissenschaftliche Wissen seiner Zeit, Zahlenmystik und Neuplatonismus zu einem allumfassenden Weltmodell zu vereinigen. Hier finden sich musikalische Harmonien, geometrische Symmetrien, Zahlenproportionen oder seine Planetengesetze ebenso wie menschliche Affekte, Seelenvermögen, Gesellschaftssysteme, Theologie, Schutzgeister oder Astrologie. Alles ist mit allem harmonisch verbunden. Über und in allen Dingen waltet der göttliche Wille und vereinigt diese in einer naturwissenschaftlich erfahrbaren Weltharmonik.

Das Ende der Astrologie als anerkannte Wissenschaft

Die Zeitgenossen Keplers standen seinen Lehren jedoch bereits skeptisch gegenüber. Zwar war er aufgrund seiner drei Planetengesetze als Naturwissenschaftler renommiert, doch wurde seine Weltharmonik von Forschern wie Galileo Galilei (1564-1642) als mystisch-magische Spekulation abgetan. Die Zeiten einer theologisch-spirituellen Wissenschaft waren vorbei. Rationalismus und Empirismus begannen ihren Siegeszug. René Descartes (1596 – 1650) veröffentlichte alsbald seine ersten Werke und lehrte die Menschen das methodische Zweifeln. Nicht der Glaube, sondern der Beweis sollte fortan die Quelle menschlicher Erkenntnis sein. Als 1648 der Dreißigjährige Krieg zu Ende ging, brach auch die Abenddämmerung der Astrologie als prognostische Leitdisziplin herein. Dabei lag der Grund weniger in der aufkommenden Dominanz eines „mechanistisch-reduktionist­ischen Materialismus“, wie bis heute gerne von Astrologiefreunden behauptet wird. Vielmehr waren die Astrologen selbst mit ihren zahlreichen vollmundigen Fehlprognosen dafür verantwortlich, wie der bekannte Astrologieexperte Nick Campion (*1953) feststellt. Gerade im Vergleich zu den zunehmend exakten Prognosen der aufkommenden Naturwissenschaften wurde die Astrologie in der Öffentlichkeit immer weniger ernst genommen.

Eine wesentliche Rolle dabei spielte die Sonnenfinsternis des Jahres 1654, wie der Astronom und Kalenderexperte Klaus-Dieter Herbst (*1961) herausgefunden hat. Denn die Astrologen in Mitteleuropa waren sich uneins, ob diese total oder nur partial sein würde. Ein öffentlicher Streit entbrannte, welcher den Ruf der Astrologie endgültig ruinierte. Wenn die Astrologen nicht einmal wussten, welcher Art eine Finsternis sein wird, wie sollten sie dann in der Lage sein, ihre detaillierten Prognosen über kommende Kriege, Missernten oder Naturkatastrophen zu erstellen? 1666 wurde die Astrologie schließlich in Frankreich von den Universitäten verbannt und kurz darauf auch im restlichen Europa. Dies war das Ende der Astrologie als anerkannte Wissenschaft.

Lediglich in England, wo die Finsternis von 1654 nicht sichtbar war und es deshalb auch keine öffentlichen Diskussionen diesbezüglich gegeben hatte, erlebte die Astrologie noch eine letzte Blüte mit einem letzten großen Astrologen. William Lilly (1602 – 1681) war vor allem als Meister der Stundenastrologie bekannt, einer Technik, bei der das Horoskop nicht auf die Geburt des Fragenden erstellt wird, sondern auf den Zeitpunkt der Fragestellung. Lilly beriet zahlreiche Herrscher und Politiker in England und ganz Europa. Sein Lehrwerk „Christian Astrology“ (1647) zählt bis heute zu den großen Klassikern der Astrologie. Seine jährlichen Almanache mit Prognosen für das kommende Jahr waren Bestseller und enthielten zahlreiche legendäre Treffer. In den 1660er Jahren begann auch Lillys Ruhm zu schwinden. 1666 wurde er angeklagt, das große Feuer von London angestiftet zu haben. Eines seiner Bücher aus dem Jahr 1652 hatte eine Prognose über das brennende London enthalten. So vermutete man, Lilly habe das Feuer selbst legen lassen, um seinen Ruhm als vortrefflicher Wahrsager aufzufrischen. Er wurde schließlich freigesprochen und zog sich aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurück.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts versank die Astrologie in der Bedeutungslosigkeit. Der Geist der Aufklärung hatte Europa ergriffen und wollte die Menschen von den Fesseln des Glaubens, der Tradition und der Obrigkeitshörigkeit befreien. Vernunft und Objektivität sollten fortan Maxime des Denkens sein. Wissenschaft musste nun ihre Thesen beweisen und allgemein überprüfbar sein. Derartigen Kriterien konnte die Astrologie nicht gerecht werden. So landete sie schließlich im Kuriositätenkabinett des Aberglaubens und versumpfte als triviale Jahrmarktastrologie im Volksglauben. Lediglich in einigen Geheimbünden wurden die astrologischen Lehren weiterhin gepflegt bis sie schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurden.

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Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 119ff