Astrologische Vorschau für 2022
Ein turbulentes 2021 geht zu Ende. Und ein noch turbulenteres Jahr 2022 beginnt. Welche großen Themen und Herausforderungen werden das kommende Jahr prägen? Und wann wird Corona endlich zu Ende sein?
Ein turbulentes 2021 geht zu Ende. Und ein noch turbulenteres Jahr 2022 beginnt. Welche großen Themen und Herausforderungen werden das kommende Jahr prägen? Und wann wird Corona endlich zu Ende sein?
Im Abendland erlebte die Astrologie ihre Hochblüte in der Renaissance. Astrologie galt als die Königswissenschaft an den Universitäten und Fürstenhöfen. Im Lauf des 17. Jahrhunderts wurde die Astrologie von den aufkommenden Naturwissenschaften zunehmend kritisch gesehen. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) gaben die zunehmend sensationslüsternen Prognosen der Astrologen den Menschen noch Halt. Doch ab den 1650er Jahren setzte ein rascher Verfall ein. Die Sternenkunst schien im Vergleich zu den wissenschaftlichen Entdeckungen in Physik und Technik zunehmend antiquiert. 1666 wurde die Astrologie schließlich in Frankreich von den Universitäten verbannt und kurz darauf in ganz Europa ins Reich des Aberglaubens verwiesen. So versank die Astrologie in einen langen Dämmerschlaf, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. So entstand die Astrologie der Moderne.
Als Vater der modernen Astrologie wird häufig der englische Theosoph Alan Leo (1860 – 1917) genannt. Er entrümpelte die klassische Astrologie und verpackte sie in ein zeitgemäßes Gewand. Sein Lehrgebäude war im Vergleich zur traditionellen Astrologie deutlich vereinfacht und leichter verständlich. Zudem verlagerte Leo den Schwerpunkt weg von den Schicksalsprognosen und hin zur psychologischen Charakterdeutung. Mit seiner Datensammlung „1001 Notable Nativities“ legte er den Grundstein für die empirische Astrologie. Darin waren die Horoskope von 1.001 berühmten Persönlichkeiten und historischen Ereignissen angegeben. Dieses Werk galt jahrzehntelang als Datenbibel für forschende Astrologen. Leo war aber auch ein findiger Geschäftsmann und erkannte als Erster das Erfolgspotential der Trivialisierung. Indem er die Komplexität eines Geburtshoroskops auf den Sonnenstand reduzierte, konnte er erstmals ein Millionenpublikum erreichen. Die „Sternzeichen-Astrologie“ mit ihren zwölf Menschenschubladen war geboren und mit ihr die populären Zeitungshoroskope. Er war auch der Erste, der Horoskope mit Hilfe von Textbausteinen erstellte. Mit diesen beiden Kunstgriffen waren Horoskope keine aufwändige Maßarbeit mehr. Sie konnten am Fließband produziert und günstig an ein Massenpublikum verkauft werden.
Im angelsächsischen Raum waren die ersten modernen Astrologen vornehmlich Mitglieder von esoterischen Zirkeln und spirituellen Vereinigungen, insbesondere der Theosophen und der Rosenkreuzer. Die bekanntesten von ihnen waren der Rosenkreuzer Max Heindel (1865 – 1919), die Theosophin Alice Bailey (1880 – 1949) und C.C. Zain (1882 – 1951), Gründer der „Church of Light“. Eine herausragende Figur dieser Frühphase war die erste Astrologin Amerikas, Evangeline Adams (1868 – 1932). Sie stieß auf reges Medieninteresse und machte die Sterndeutung erst so richtig populär. Grund dafür waren zahlreiche frappante Prognosen, welche ihr zugeschrieben wurden. So soll sie den Brand des Winsor Hotels in New York 1899 ebenso vorhergesagt haben wie den Börsencrash von 1929, den Zweiten Weltkrieg oder den Tod von König Edward VII. Zu ihren Klienten zählten zahlreiche Prominente wie der Opernsänger Enrico Caruso oder der berühmte Finanzguru John Piermont Morgan, dem bis heute gerne der Spruch zugeschrieben wird: „Millionäre verwenden keine Astrologie – Milliardäre schon.“ 1911 und 1914 wurde sie wegen Wahrsagerei angeklagt. Vor Gericht überzeugte sie den Richter von ihren astrologischen Fertigkeiten, sodass sie freigesprochen wurde. In den Medien, welche den Prozess mit regem Interesse verfolgt hatten, wurde dies als wissenschaftlicher Beweis für die Astrologie interpretiert. So wurde Adams zur ersten großen Medienastrologin. Sie erhielt ihre eigene Radiosendung und 1930 auch eine eigene Zeitungskolumne.
Um die Jahrhundertwende gelangte die wiederentdeckte Astrologie auch in die deutschsprachigen Länder. Einer der ersten Pioniere war Karl Brandler-Pracht (1864 – 1939). Er veröffentlichte 1905 sein Erstwerk „Mathematisch-instruktives Lehrbuch der Astrologie“. In den folgenden Jahrzehnten gründete er astrologische Gesellschaften und Forschungsgruppen in vielen österreichischen, deutschen und schweizerischen Städten, sowie mehrere Zeitschriften. Brandler-Pracht gilt als Grand Signor der modernen deutschsprachigen Astrologie. Viele bekannte Astrologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Schüler von ihm.
Nach dem Ersten Weltkrieg begannen für die Astrologie zwei Jahrzehnte enthusiastischer Aufbruchsstimmung. Zahlreiche Doktoren und Professoren beschäftigten sich ernsthaft mit ihr. Man war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis die Astrologie mit modernen technischen Mitteln bewiesen und als Wissenschaft etabliert werden könnte. Viele Astrologen aus jener Zeit sind bis heute legendär, etwa Johannes Vehlow (1890 – 1958), der mit seinem achtbändigen Monumentalwerk „Lehrkursus der wissenschaftlichen Geburtsastrologie“ (ab 1925) eine systematische Sammlung des astrologischen Wissens von der Antike bis in die Gegenwart erarbeitete. Sein Häusersystem, welches den Aszendenten in die Mitte des 1. Hauses legt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Großen Einfluss auf die Entwicklung der deutschsprachigen Astrologie hatte auch Frank Glahn (1865 – 1941). Sein erstes Astrologie-Buch „Erklärung und systematische Deutung des Geburtshoroskopes“ erschien 1923. Während der Verdienst von Brandler-Pracht oder Vehlow vor allem im Sammeln und Zusammenstellen des überlieferten Wissens besteht, glänzte Glahn durch innovative Techniken und Neuerfindungen. Auf ihn gehen etwa die heute sehr populären Häuserrhythmen zurück.
Den revolutionärsten und technisch komplexesten Ansatz begründete der Vermessungstechniker Alfred Witte (1878 – 1941) mit der Hamburger Schule. Er präsentierte sein System ab 1919 in einigen Artikeln und war damit alsbald in aller Munde. Witte hatte im Laufe des Ersten Weltkrieges tausende Horoskope von Kameraden berechnet und dabei feststellen müssen, dass tiefgreifende Ereignisse wie Bombenangriffe, Verwundungen oder Hochzeiten mit den klassischen Methoden oft gar nicht im Horoskop ersichtlich waren. Er verglich die Geburtsbilder von Menschen mit ähnlichen Erlebnissen, sowie von Menschen mit gleichen Geburtstagen, und fand dabei heraus, dass darin zu den fraglichen Zeiten stets dieselben Tierkreispositionen ausgelöst waren. Diese Positionen wanderten langsam. So vermutete Witte, dass es sich dabei um noch nicht entdeckte Planeten jenseits der Neptunbahn handeln müsse. Anhand der Fallkurve der bekannten Planeten berechnete Witte Entfernung und Umlaufzeit dieser Punkte und kam so auf die Bahnen seiner vier zusätzlichen Planeten: Cupido, Hades, Zeus und Kronos. Witte nannte diese unentdeckten Himmelskörper jenseits der Neptunbahn Transneptuner.
Wann immer etwa jemand von der Front Heimurlaub bekam, um einer großen Familienfeierlichkeit beizuwohnen, war Cupido ausgelöst. Tod, Vernichtung, Verwesung, Schmutz oder Dirnen und Diebe wurden von Hades angezeigt. Den Punkt, der Blitzangriffe, Dampfmaschinen oder Schussverletzungen auslöste, nannte Witte Zeus. Kronos stand für Herrschaft und Autorität, für das Hohe und Erhabene. Folgende Liste zeigt in kurzen Stichpunkten Umlaufzeiten und Bedeutung der von Witte gefundenen Transneptuner. Sie wurden später von Wittes Schüler Friedrich Sieggrün (1877 – 1951) auf acht erweitert.
Umlaufzeit | Bedeutung | ||
Cupido | 262 Jahre | Familie, Ehe, Kunst, Gemeinschaft | |
Hades | 361 Jahre | Einsamkeit, Mangel, Schmutz, Krankheit | |
Zeus | 456 Jahre | Führung, Zeugung, Ziele, Feuer, Maschinen | |
Kronos | 522 Jahre | Selbständigkeit, Staat, Herrscher, Größe | |
Apollon | 576 Jahre | Ruhm, Erfolg, Ausdehnung, Wissenschaft | |
Admetos | 618 Jahre | Hemmung, Trennung, Stillstand, Rotation | |
Vulkanus | 663 Jahre | Größte Kraft, Macht, Energie, Gewalt | |
Poseidon | 740 Jahre | Geist, Idee, Erkenntnis, Licht, Erleuchtung |
Die Transneptuner der Hamburger Schule
Die zweite Neuerung Wittes waren die sogenannten Planetenbilder. Die klassische Astrologie kennt nur Beziehungen zwischen zwei Planeten, sofern diese bestimmten Winkeln, den Aspekten, entsprechen. Wittes Planetenbilder hingegen bestehen aus drei oder mehr Planeten, sofern einer davon genau in der Mitte zwischen den zwei anderen liegt. Die Einführung dieser Halbsummen erlaubte in Verbindung mit den Transneptunern viel differenziertere Aussagen als die traditionelle Astrologie. So konnten die Häuser und Tierkreiszeichen, die zwei Grundprobleme der Astrologie, in der Deutung weitgehend vernachlässigt werden. Der Schwerpunkt lag nun auf den Planetenbildern.
Gerade in Zeiten ohne Computer bedeutete dies einen erheblichen mathematischen Mehraufwand. Dafür stand die Hamburger Schule in dem Ruf, die bei weitem exaktesten Prognosen und die höchste Treffsicherheit erzielen zu können. Anhand zahlreicher Experimente belegten ihre Schüler die Überlegenheit ihres Systems gegenüber den anderen astrologischen Schulen. Sie berechneten auf den Tag genau die Geburt eines Kindes oder sagten exakt die Sieger und Siegerrunden von Boxkämpfen voraus. Auch die Berechnung des Verbleibs verschwundener Personen wird in der Liste der Erfolge aufgeführt. Inwieweit derartige Treffer die Ausnahme oder die Regel waren, bleibt offen. Jedenfalls waren die Hoffnungen groß, dass Wittes System die Astrologie schon bald als exakte Wissenschaft etablieren würde. Nicht umsonst pflegten die Vertreter der Hamburger Schule, ihre astrologischen Deutungsregeln in mathematische Formeln zu verpacken. Ihre Bibel war das „Regelwerk für Planetenbilder“ (Erstauflage 1928). Darin finden sich hunderte Formeln wie:
Mond + Cupido – Widder = Hochzeiten. Allgemeine Geselligkeitsvereine. Öffentliche Bälle und Gesellschaften.
Venus + Uranus – Mars = Heiße, jedoch verfeinerte Sinnlichkeit. Plötzliche Bekanntschaften, die sich intim gestalten.
Mondknoten + Hades – Zeus = Wegen Mängel scharf zurechtgewiesen werden. Infolge Verbrechens mit der Polizei in Berührung kommen. Durch Brand in Mitleidenschaft gezogen werden.
Sonne + Kronos – Neptun = Konfuse Autorität. Unfähige Leitung. Durch führende oder selbständige Personen Täuschung oder Ablehnung erfahren. Durch Staatsgewalt vernichtet. Fürstenabsetzung. Wenn = Merkur: der konfuse Leiter oder der intuitiv Führende.
Die Hamburger Schule bleibt bis heute auch innerhalb der Astrologieszene ein Kuriosum. Einerseits genießen viele ihrer Anhänger hohes Ansehen, insbesondere im angelsächsischen Raum, wo Wittes Lehre als „Uranian Astrology“ bis heute populär ist. Andererseits konnte sich der extrem mathematische Ansatz nie in der Breite durchsetzen. Er war zu kompliziert und detaillistisch für eine Massenbewegung. Viele Astrologen störte auch das stark deterministische Gepräge der Jünger Wittes. Ihr Anspruch, eine exakte Wissenschaft zu betreiben, ließ keinen Platz für den freien Willen. Alles und jeder war präzise berechenbar. Man darf dabei allerdings nicht übersehen, dass diese starke Schicksalsorientierung bis weit in die Nachkriegszeit hinein in der Astrologie sehr verbreitet war.
Am meisten Ablehnung brachten der Hamburger Schule die Transneptuner. Die Existenz dieser acht zusätzlichen Planeten wurde aus der Analyse tausender Horoskope abgeleitet. Doch bis heute konnte keiner dieser Körper astronomisch entdeckt werden. Zudem machte es viele Astrologen misstrauisch, als man 1930 den neunten Planeten Pluto entdeckte, dieser aber keinem der Witte-Planeten entsprach. Auch mit den zehntausenden Transneptunischen Objekten im Kuiper-Gürtel, welche seit 1992 entdeckt wurden, haben die Hamburger Transneptuner bis auf ihren Namen keine Übereinstimmung, weshalb man diese mittlerweile lieber als „Wirkpunkte“ und nicht mehr als Planeten bezeichnet. So führt die Hamburger Schule bis heute ein Exotendasein, wenngleich ihre Leistungen in der Astrologieszene als unbestritten gelten. Die Halbsummen und die Spiegelpunkte, zwei von Witte (wieder)entdeckte Techniken, sind mittlerweile Allgemeingut der Astrologie.
Ursprünglich ebenfalls Anhänger der Hamburger Schule war einer der bekanntesten Astrologen des 20. Jahrhunderts, Reinhold Ebertin (1901 – 1988). Er war der Sohn der ersten professionellen Astrologin Deutschlands, Elsbeth Ebertin (1880 – 1944), welche in der Zwischenkriegszeit alljährlich die astrologische Jahresvorschau „Ein Blick in die Zukunft – Unabwendbare Geschehnisse in nächster Zeit“ verfasste. 1928 gründete er den Ebertin-Verlag und gab die Fachzeitschrift „Neue Sternblätter“ heraus, welche 1933 in „Mensch im All“ umbenannt wurde. Diese wurde schnell zu einem der wichtigsten Sprachrohre der deutschen Astrologie. Ludwig Rudolph, einer der Hauptvertreter der Hamburger Schule, oder der bekannte Chirologe und Physiognom Ernst Issberner-Haldane publizierten zahlreiche Artikel darin. Ab 1932 erschien die Wochenzeitschrift „Der Seher“ und erreichte alsbald eine Auflage von über 50.000 Stück.
Ebertins Bekanntheit ist auch seinem Organisationstalent zu verdanken. 1932 organisierte er den „Kongreß astrologischer Pioniere“ mit über 600 Teilnehmern. Dort war alles versammelt, was in der damaligen Astrologieszene Rang und Namen hatte. Ein Ziel dieses Kongresses war, die ausufernde Methodenflut der Astrologie kritisch zu sichten und die erfolgreichsten Techniken herauszufiltern. Dazu stellte Ebertin im Laufe der Zeit 75 praktische Aufgaben. Jeder Astrologe, jede Schule konnte diese mit ihren bevorzugten Methoden lösen. Anhand der richtigen oder falschen Ergebnisse wurde dann eine Bewertung der Techniken vorgenommen. Auf dieser Grundlage entwickelte sich im Laufe der 1930er Jahre die „Methode Ebertin“, später auch Kosmobiologie genannt. Die erste Auflage von Ebertins Hauptwerk „Kombination der Gestirneinflüsse“ erschien schließlich nach dem Krieg und gilt bis heute als Standardwerk der Astrologie.
Die „Methode Ebertin“ ist weniger ein eigenständiger Deutungsansatz, als vielmehr eine eklektische Zusammenfassung der allgemein anerkanntesten Methoden. Ebertin übernahm von jeder Schule, was ihm am brauchbarsten erschien und nahm daran zahlreiche Vereinfachungen vor. Darin liegt der große Erfolg seiner Kosmobiologie begründet. Von der Hamburger Schule übernahm Ebertin die Halbsummentechnik und die 90-Grad-Scheibe. Die Transneptuner hingegen verwarf er. Zudem wendete er sich von der einseitigen Ereignis- und Schicksalsorientierung der Lehre Wittes ab und betonte die psychologische Seite viel stärker. Um das Problem der verschiedenen Häusersysteme zu vermeiden, verzichtet seine Methode vollkommen darauf.
Wie viele Astrologen der Zwischenkriegszeit, versuchte auch Ebertin anfangs, sich mit dem Naziregime zu arrangieren. Er war Mitbegründer der „Geistigen Front, Reichsvereinigung für wissenschaftliche und praktische Menschenkenntnis, Berlin“. In seinen Zeitschriften fanden sich Artikel über Germanentum, Rassenphysiognomik oder den „Heilsgruß als Zeichen des Charakters“ ebenso wie Horoskopanalysen Adolf Hitlers, welche seine Sendung als großer Führer astrologisch bestätigten. Der Verein bemühte sich jedoch vergeblich um einen berufsständischen Aufbau für Astrologen im „Kampfbund für Deutsche Kultur“. Obwohl Nazigrößen wie Heß und Himmler dem Okkultismus sehr zugetan waren, gerieten die Astrologen im Dritten Reich alsbald auf die Schwarze Liste. 1939 wurde die Astrologische Zentralstelle aufgehoben und Astrologie verboten. Nach der Flucht von Rudolf Heß wurden 1941 in einer großen Welle zahlreiche Astrologen verhaftet und deportiert. Astrologiebücher wurden tonnenweise beschlagnahmt und verbrannt. Viele Astrologen wie beispielsweise Karl Ernst Krafft oder Hubert Korsch starben im KZ. Alfred Witte kam seiner Verhaftung durch Selbstmord zuvor. Thomas Ring entging seiner Deportation nur knapp, indem ihn der bekannte Freiburger Parapsychologe Hans Bender (1907 – 1991) zum Direktor des Grenzwissenschaftlichen Instituts der Universität Straßburg ernannte und so außer Landes verhalf.
Bis heute sind die deutschen Astrologen der Zwischenkriegszeit in aller Welt legendär. Wie in kaum einem anderen Land der Moderne hatte die Astrologie in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eine rasante Entwicklung genommen und selbst in wissenschaftlichen Kreisen großes Interesse hervorgerufen. Man hatte sich bereits an den Toren zu den Universitäten gewähnt. Doch das Dritte Reich brachte gleich eine doppelte Zäsur. Einerseits war die Astrologie in der Öffentlichkeit als zwielichtige okkulte Praktik stigmatisiert durch ihr Liebäugeln mit dem Naziregime bis 1939. Andererseits wurden viele ihrer wichtigsten Vertreter und Werke durch die Terrorherrschaft ausgelöscht.
Das Dritte Reich am besten überstanden hat die Kosmobiologie von Reinhold Ebertin. In der Nachkriegszeit gelang es ihm, seinen Verlag wieder aufzubauen und seine Lehren auch in Amerika und Australien populär zu machen. Bis in die 1980er Jahre hinein war Ebertin als Astrologe aktiv. Im Gegensatz zu vielen deutschen Kollegen war er auch international sehr aktiv und legte so einen wichtigen Grundpfeiler für die Astrologie der Moderne. Seit seinem Tod verlor jedoch auch seine Lehre stark an Strahlkraft. Der Ebertin-Verlag ging schließlich 2005 in Konkurs. Die Hamburger Schule wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Ludwig Rudolph (1893 – 1982) und später von dessen Sohn Udo fortgeführt. Die großen Tage waren allerdings vorbei. Die große Revolution der Astrologie blieb aus. Heute wird das System der Hamburger Schule leider nur noch von wenigen Astrologen praktiziert. Mit innovativen Ansätzen hatte die “Uranian Astrology” die Astrologie der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg eingeleitet. Doch heute wirkt sie auf viele moderne Astrologen sonderbar antik und fremdartig.
Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 132ff
Im Zeichen der islamischen Expansion verbreitete sich die arabische Astrologie ab dem 8. Jahrhundert über Spanien bis an die Grenzen des Frankenreichs. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert wurden zahlreiche arabische und jüdische Werke ins Lateinische übersetzt. Morgenländische Magie, Kabbala und Astrologie gelangten so in den abendländischen Kulturkreis und nahmen dort alsbald eine eigenständige Entwicklung. Von der Kirche wurde die Sternenwahrsagung lange als „inhaltsleere Betrügerei” verboten. Erst christliche Theologen wie Thomas von Aquin (1225 – 1274) erarbeiteten die weltanschaulichen Grundlagen, um die Astrologie mit dem Christentum zu vereinbaren. Die europäischen Fürsten und Könige begannen, Hofastrologen zu beschäftigen. Einer der ersten großen Astrologen des Abendlandes war der italienische Mathematiker Guido Bonatti (1223 – 1300). Als Hofastrologe Friedrichs II. von Hohenstaufen und dem Grafen Montefeltro erlangte er mit seinen Prognosen Berühmtheit. Bis heute berufen sich Astrologen auf seine Werke. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte Johannes Campanus, Mathematiker von Papst Urban IV., ein neues Häusersystem, welches erstmals nicht die Ekliptik als Grundlage nahm, sondern den Himmelsraum des Geburtsortes.
In der Renaissance gelangte die Astrologie zur Hochblüte. Europa war erfasst vom wiedergeborenen Geist der Antike. In allen größeren Städten wurden Universitäten gegründet, um den neuen Wissensreichtum zu institutionalisieren. Hier durfte auch die Astrologie nicht fehlen, welche lange Zeit als Königswissenschaft galt. Auch die Kunst war geprägt von astrologischen Allegorien.
So wurden die zwölf Jünger im berühmten Gemälde „Das Abendmahl“ von Leonardo Da Vinci (1452 – 1519) in Mimik, Gestik und Physiognomie den zwölf Tierkreiszeichen nachempfunden. Die Reihe beginnt rechts mit Simon, dem Zeloten, als direkten, kämpferischen Widder und endet links mit Bartholomäus als teilnahmslos beobachtenden Fisch. Die Jünger sind in vier Dreiergruppen angeordnet, welche den vier astrologischen Quadranten entsprechen. Jeder Jünger nimmt die für sein Tierkreiszeichen typische Haltung ein: Simon, der Widder, entschlossen und impulsiv, Thaddäus, der Stier, nackenbetont und an sich haltend, Matthäus, der Zwilling, jugendlich-glatt und wild gestikulierend, Philippus, der Krebs, inbrünstig in Gefühlen schwelgend, der ältere Jakobus, Löwe, in expressiver, strahlender Haltung, der ungläubige Thomas, die Jungfrau, warnend den Zeigefinder erhebend.
Zur linken von Jesus folgen die Herbstzeichen: Johannes, die Waage, unentschlossen abwägend, Judas, der Skorpion, verstohlen zurückweichend, den Geldbeutel fest an sich haltend, Petrus, der religiös-kämpferische Schütze, eilig und die Reihenfolge missachtend Johannes ins Ohr flüsternd. Schließlich folgen die drei Winterzeichen, der vierte Quadrant. Während alle anderen Apostel mit sich selbst und ihren Gedanken und Gefühlen beschäftigt sind, betrachten die Winterzeichen aus der Distanz das Geschehen: der alte, glatzköpfige Andreas, Steinbock, ängstlich abwehrend die Hände erhebend, der jüngere Jakobus, Wassermann, seine Freunde brüderlich umarmend und schließlich der stumm betrachtende Fisch Bartholomäus, der einzige Jünger, dessen Füße (traditionell den Fischen zugeordnet) zu sehen sind. Wie für seine Zeit üblich, hat auch Da Vinci in diesem berühmten Werk astrologisches Gedankengut eingearbeitet. Er wurde hierbei vermutlich von seinem engen Freund, dem Schweizer Astrologen Konrad Fürst beraten.
Auch in den Bildern von Albrecht Dürer (1471 – 1528) finden sich zahlreiche astrologische Allegorien. So ist sein Kupferstich „Melencholia I“ (1514) eine kunstvolle Ansammlung der Analogieketten des Planeten Saturn. Wohl am offensichtlichsten ist die astrologische Symbolik im Kupferstich „Sol Iustitiae“ (um 1500). Die personifizierte Sonne sitzt auf einem Löwen. In ihrer erhobenen Hand hält sie ein Schwert, in ihrer gesenkten Hand eine Waage. Dies symbolisiert die astrologischen Würden der Sonne. Nach traditioneller Lehre beherrscht die Sonne den Löwen, ist im Widder (Symbol Schwert) erhöht und in der Waage im Fall. In den Gemälden und Bildern aus der Renaissance-Zeit finden sich unzählige derartige Allegorien. Zahlreiche weitere Beispiele finden sich im Buch „Astrologie in der Kunst“ von Klemens Ludwig.
Auch wenn das Ansehen der Astrologie in der Renaissance auf dem Höhepunkt war, gab es bereits zu jener Zeit Kritik. Einer der einflussreichsten Gegner der Astrologie war der italienische Humanist Pico della Mirandola (1463 – 1494). In seinem posthum veröffentlichten Werk „Disputationes adversus astrologiam divinatricem“ wandte er sich scharf gegen die Astrologie. Er schlug vor, die astrologischen Thesen statistischen Tests zu unterziehen, um ihre Nutzlosigkeit zu beweisen. Mirandola kritisierte vor allem die deterministische Astrologie, welche das Schicksal des Menschen als unabänderliche Konsequenz der Sternenbahnen auslegte. Und in der Tat brachte die Renaissance nicht nur eine gewaltige geistige Expansion, sondern gleichzeitig ein letztes großes Aufbäumen des Aberglaubens. Zahlreiche Weltuntergangsprophezeiungen wurden aus den Sternen gelesen, um das Volk in Angst und Schrecken zu versetzen. Vor allem Planetenballungen in einem Zeichen gaben Anlass zu düsteren Prognosen.
So wurde das Aufkommen der Syphilis mit der vorangegangenen großen Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn im Zeichen des Skorpions erklärt. Das Zusammentreffen dieser zwei langsamsten Planeten galt als Königskonstellation und wurde vor allem für Mundanprognosen als äußerst bedeutsam erachtet. Bei der Konstellation vom Oktober 1484 befanden sich zudem auch alle anderen Himmelskörper bis auf Mars im Skorpion, dem Zeichen der Geschlechtsorgane. Eine Geschlechtsseuche schien den Astrologen der Renaissance nur logische Konsequenz dieser Konstellation zu sein. Der bekannte Astrologe Johannes Lichtenberger (1426 – 1503) hingegen prognostizierte aus der Konjunktion das Kommen eines Propheten, der die Kirche revolutionieren werde. Als einige Jahrzehnte später Martin Luther die protestantische Reformation anführte, wurde dies als Beweis für die Richtigkeit von Lichtenbergers Weissagungen angesehen. Schließlich war Luther 1483, nur ein Jahr vor der Konstellation, im Zeichen des Skorpions geboren worden.
Besonders spektakulär war die Prophezeiung einer großen Sintflut für das Jahr 1524. Der bekannte Astrologe Johannes Stöffler (1452 – 1531) hatte diese bereits im Jahr 1499 vorausgesagt. Seine Schüler, insbesondere der erste Astrologe Brandenburgs, Johannes Carion (1499 – 1537), hielten bis zum verheißenen Jahr an dieser Prophezeiung fest und veröffentlichten zahlreiche reißerische Schriften zu diesem Thema. Ausgangspunkt der Sintfluterwartungen war eine Konjunktion sämtlicher Planeten im Zeichen der Fische im Februar 1524. Carion schilderte in seiner Schrift „Prognostication und erklerung der großen wesserung“ (1521) ausführlich die kommenden Auswirkungen dieser Konstellation. Er sagte zerstörerische Unwetter und Überschwemmungen voraus, welche Missernten, Hungersnöte und Seuchen nach sich ziehen würden. Des Weiteren prophezeite er Zwietracht und Uneinigkeit zwischen den geistlichen und weltlichen Führern, welche 1525 „grosses blutvergießen des Christlichen volckes“ und „Niderdrückung grosser Häupter“ bringen würden.
Die bekannteste Darstellung dieser Sintflutprophezeiung ist die 1523 veröffentlichte Flugschrift „Practica vber die grossen und manigfeltigen Coniunction der Planeten, die im jar 1524 erscheinen vn vngezweiffelt vil wunderparlicher ding geperen werden“ von Leonhard Reymann. Im oberen Teil des Titelbildes sieht man einen großen Fisch, in dessen Körper sich ein Toter sowie Sonne, Mond und die fünf Planeten befinden. Aus seinem Bauch ergießt sich die große Flut, welche alles hinfortschwemmt. Im unteren Teil des Bildes stehen sich König, Papst und Geistlichkeit auf der rechten Seite und die von Saturn angeführten Bauern auf der linken Seite feindlich gegenüber.
Je näher der 19. Februar 1524 rückte, desto mehr gerieten die Menschen in Panik. Die Reichen kauften sich Schiffe, um die Sintflut zu überleben. Die Armen beteten zu Gott um Gnade. Doch die große Wässerung blieb aus. Die Sintflut kam nicht. Dies tat dem Ruhm der Astrologen jedoch keinen Abbruch. Reymann veröffentlichte 1526 einfach eine weitere Schrift über die Planetenballung in den Fischen. Die Sintflut war vom Titelbild verschwunden. Stattdessen waren nur noch die feindlich einander gegenüberstehenden Bauern und Feudalherren abgebildet. Obwohl die große Wässerung ausgeblieben war, lobte Reymann die Treffsicherheit der Astrologie. Auf das Jahr 1524 zurückblickend sprach er von einer Konstellation, deren Folgen durch Weisheit nicht verhütet werden konnten und konzentrierte sich auf die Darstellung des Deutschen Bauernkrieges von 1525. Zwar war dieser zum Zeitpunkt der Prognosen schon deutlich in der Luft gelegen. Doch im Nachhinein konnte man die Diagnose zur Prognose machen und so als Erfolg für die Astrologie ausgeben.
Derartige Kunstgriffe waren in der Renaissance-Astrologie üblich. So war auch die scharfe Kritik von Pico della Mirandola nicht verwunderlich. Dennoch erfreute sich die Astrologie noch für viele Jahrzehnte großer Anerkennung. Herausragende Forscher beschäftigten sich mit ihr, unter anderem Paracelsus (1493 – 1541) oder der italienische Arzt und Mathematiker Hieronymus Cardanus (1501 – 1576), dessen „Metoposcopia“ wir bereits im zweiten Prognostik-Band kennengelernt haben. Cardanus war ein Pionier der Wahrscheinlichkeitsrechnung und hat sich mit diesem Wissen durch Glücksspiel sein Studium finanziert. Zudem war er der Erste, der mit negativen und komplexen Zahlen gerechnet und eine Methode zur Lösung von Gleichungen dritten und vierten Grades entwickelt hat. Cardanus war als größter Arzt seiner Zeit berühmt und heilte zahlreiche Könige und Fürsten. Zudem galt er als hervorragender Physiognom und Astrologe. Cardanus nahm es mit seinen astrologischen Prognosen sehr genau. So sagte er König Eduard VI. von England voraus, dass er mit 55 Jahren, 3 Monaten und 17 Tagen tödlich erkranken werde. Tatsächlich verstarb Eduard bereits im Alter von 16 Jahren. Cardanus schreckte auch nicht davor zurück, seinen eigenen Tod auf die Stunde genau vorherzusagen. Als diese Stunde schließlich gekommen, er jedoch immer noch bei bester Gesundheit war, nahm er sich im Alter von 75 Jahren das Leben. So erfüllte sich wenigstens diese Prophezeiung.
Ein weiterer großer Astrologe des 16. Jahrhunderts war Nostradamus (1503 – 1566). Seine Zenturien wurden bereits im ersten Prognostik-Band vorgestellt und faszinieren mit ihrer kryptischen Sprache bis heute die Menschen. Dabei rätseln Experten seit Jahrhunderten, ob hinter den symbolisch-chiffrierten Versen ein elaborierter Code steckt oder es sich einfach um Projektionsflächen handelt, die immer auf irgendwelche Ereignisse passen. Sein Medium waren jährliche Almanache, welche jeweils Vorhersagen für das kommende Jahr enthielten. Diese Werke waren damals sehr populär und brachten ihren Verfassern häufig weit mehr Einnahmen als die astrologischen Beratungen. Nimmt man den Verkauf von astrologischen Jahresalmanachen im deutschen Sprachraum als Indikator, so erreichte die Astrologie den Höhepunkt ihrer Popularität 1580 – 1610. Danach setzte ein langsamer Niedergang ein.
Im Lauf des 17. Jahrhunderts geriet die Astrologie schließlich immer mehr in das Eck des Aberglaubens. Die Erfindung des Fernrohrs und die zunehmende Akzeptanz des Kopernikanischen Weltbildes entmystifizierten den Sternenhimmel und mit diesem die Astrologie. Die letzten großen Astronomen, welche sich ebenso als Astrologen hervortaten, waren der Däne Tycho Brahe (1546 – 1601) und sein Schüler Johannes Kepler (1571 – 1630). Beide lehnten weite Teile der damaligen Astrologie bereits als unwissenschaftlich ab, glaubten aber dennoch an die Macht der Sterne. Insbesondere Kepler versuchte, die Sternendeutung von ihrem unseriösen, marktschreierischen Ballast zu befreien und ihr ein neues wissenschaftliches Fundament zu geben, welches den Ansprüchen seiner Zeit Genüge tun sollte. 1602 erschien seine kurze Schrift über die gesicherten Grundlagen der Astrologie, „De Fvndamentis Astrologiae Certioribvs“. Darin legte er seine Astrologietheorie dar und verwarf zahlreiche etablierte Methoden als Unsinn, beispielsweise die klassischen Planetenwürden oder die Arabischen Punkte. Dafür führte er neue Aspekte in die Astrologie ein: das Quintil, das Biquintil und das Halbsextil. Zudem machte er seine Vorhersagen für das Jahr 1602. Ein großer Teil bestand aus Wetterprognosen:
„Das Stationärwerden des Merkur nun ruft zum größten Teil Winde hervor, die verhältnismäßig reich an Dunst sind, und örtlich auch Schnee- oder Regenfälle. Solche haben wir zu erwarten um den 17. Januar, den 20. April, den 12. Mai, den 15. August, den 6. September und den 9. und 31. Dezember. (…) 4. Januar: Sonne Konjunktion Merkur – Schneefälle oder Winde, wie die allgemeine Disposition es zulassen wird. Um den 10./11. sechs äußerst starke Aspekte – durchweg milde, mit Schnee vermischte Regenfälle. (…) Vom April erwarte ich, dass er anfangs seiner Natur gemäß Wärme bringt durch das Biquintil von Mars und Sonne, dass es regnerisch ist wenigstens zwei Tage vor und nach Vollmond. Es sind nämlich alle Planeten an der Konstellation beteiligt.“
Die letzten Seiten dieser Abhandlung widmete Kepler den Ereignisprognosen. Er gab die Tage des Jahres an, welche für ihn erhöhte Gefahr von Krankheiten und Pest, sowie von Kriegshandlungen bargen. Vergleicht man seine Vorhersagen mit den Almanachen, welche noch hundert Jahre zuvor üblich gewesen waren, so fällt Keplers starke Zurückhaltung in Bezug auf konkrete, exakte Prognosen auf. Die Konstellationen zwingen nicht, sie machen lediglich geneigt.
Kepler machte nicht nur astrologische Kalender. Er erstellte auch Horoskope und war kaiserlicher Mathematiker und Astrologe am Hof von Kaiser Rudolf II. in Prag. Diesem widmete er seine Rudolfinischen Tafeln, die bei weitem exaktesten Planetenbahnberechnungen seiner Zeit. Im Jahr 1608 verfasste er sein wohl bekanntestes Horoskop für einen anonymen Auftraggeber, welcher Jahre später zum mächtigsten Heerführer des Dreißigjährigen Kriegs aufsteigen sollte, Albrecht von Wallenstein. Wallenstein war von der Qualität des Horoskops derart beeindruckt, dass es sein Leben prägte. Seine Biographie weist erstaunliche Parallelen zu den Prognosen Keplers auf.
Keplers Hauptwerk „Harmonice Mundi“ (1619) war schließlich der Versuch, das naturwissenschaftliche Wissen seiner Zeit, Zahlenmystik und Neuplatonismus zu einem allumfassenden Weltmodell zu vereinigen. Hier finden sich musikalische Harmonien, geometrische Symmetrien, Zahlenproportionen oder seine Planetengesetze ebenso wie menschliche Affekte, Seelenvermögen, Gesellschaftssysteme, Theologie, Schutzgeister oder Astrologie. Alles ist mit allem harmonisch verbunden. Über und in allen Dingen waltet der göttliche Wille und vereinigt diese in einer naturwissenschaftlich erfahrbaren Weltharmonik.
Die Zeitgenossen Keplers standen seinen Lehren jedoch bereits skeptisch gegenüber. Zwar war er aufgrund seiner drei Planetengesetze als Naturwissenschaftler renommiert, doch wurde seine Weltharmonik von Forschern wie Galileo Galilei (1564-1642) als mystisch-magische Spekulation abgetan. Die Zeiten einer theologisch-spirituellen Wissenschaft waren vorbei. Rationalismus und Empirismus begannen ihren Siegeszug. René Descartes (1596 – 1650) veröffentlichte alsbald seine ersten Werke und lehrte die Menschen das methodische Zweifeln. Nicht der Glaube, sondern der Beweis sollte fortan die Quelle menschlicher Erkenntnis sein. Als 1648 der Dreißigjährige Krieg zu Ende ging, brach auch die Abenddämmerung der Astrologie als prognostische Leitdisziplin herein. Dabei lag der Grund weniger in der aufkommenden Dominanz eines „mechanistisch-reduktionistischen Materialismus“, wie bis heute gerne von Astrologiefreunden behauptet wird. Vielmehr waren die Astrologen selbst mit ihren zahlreichen vollmundigen Fehlprognosen dafür verantwortlich, wie der bekannte Astrologieexperte Nick Campion (*1953) feststellt. Gerade im Vergleich zu den zunehmend exakten Prognosen der aufkommenden Naturwissenschaften wurde die Astrologie in der Öffentlichkeit immer weniger ernst genommen.
Eine wesentliche Rolle dabei spielte die Sonnenfinsternis des Jahres 1654, wie der Astronom und Kalenderexperte Klaus-Dieter Herbst (*1961) herausgefunden hat. Denn die Astrologen in Mitteleuropa waren sich uneins, ob diese total oder nur partial sein würde. Ein öffentlicher Streit entbrannte, welcher den Ruf der Astrologie endgültig ruinierte. Wenn die Astrologen nicht einmal wussten, welcher Art eine Finsternis sein wird, wie sollten sie dann in der Lage sein, ihre detaillierten Prognosen über kommende Kriege, Missernten oder Naturkatastrophen zu erstellen? 1666 wurde die Astrologie schließlich in Frankreich von den Universitäten verbannt und kurz darauf auch im restlichen Europa. Dies war das Ende der Astrologie als anerkannte Wissenschaft.
Lediglich in England, wo die Finsternis von 1654 nicht sichtbar war und es deshalb auch keine öffentlichen Diskussionen diesbezüglich gegeben hatte, erlebte die Astrologie noch eine letzte Blüte mit einem letzten großen Astrologen. William Lilly (1602 – 1681) war vor allem als Meister der Stundenastrologie bekannt, einer Technik, bei der das Horoskop nicht auf die Geburt des Fragenden erstellt wird, sondern auf den Zeitpunkt der Fragestellung. Lilly beriet zahlreiche Herrscher und Politiker in England und ganz Europa. Sein Lehrwerk „Christian Astrology“ (1647) zählt bis heute zu den großen Klassikern der Astrologie. Seine jährlichen Almanache mit Prognosen für das kommende Jahr waren Bestseller und enthielten zahlreiche legendäre Treffer. In den 1660er Jahren begann auch Lillys Ruhm zu schwinden. 1666 wurde er angeklagt, das große Feuer von London angestiftet zu haben. Eines seiner Bücher aus dem Jahr 1652 hatte eine Prognose über das brennende London enthalten. So vermutete man, Lilly habe das Feuer selbst legen lassen, um seinen Ruhm als vortrefflicher Wahrsager aufzufrischen. Er wurde schließlich freigesprochen und zog sich aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurück.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts versank die Astrologie in der Bedeutungslosigkeit. Der Geist der Aufklärung hatte Europa ergriffen und wollte die Menschen von den Fesseln des Glaubens, der Tradition und der Obrigkeitshörigkeit befreien. Vernunft und Objektivität sollten fortan Maxime des Denkens sein. Wissenschaft musste nun ihre Thesen beweisen und allgemein überprüfbar sein. Derartigen Kriterien konnte die Astrologie nicht gerecht werden. So landete sie schließlich im Kuriositätenkabinett des Aberglaubens und versumpfte als triviale Jahrmarktastrologie im Volksglauben. Lediglich in einigen Geheimbünden wurden die astrologischen Lehren weiterhin gepflegt bis sie schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurden.
weiter zum Folge-Artikel “Die Wiederentdeckung der Astrologie in der Moderne”
Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 119ff
Die Geschichte der Astrologie begann im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien. Doch es war ein langer Weg von der reinen Beobachtung himmlischer Zeichen über die Berechenbarkeit von Planetenbewegungen bis hin zu den ersten persönlichen Horoskopen, wie sie im 5. vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland entstanden sind. Im Römischen Reich erhielt die Astrologie schließlich ihre heutige Form. Antike Lehrbücher aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert wie jene von Ptolemäus oder Manilius erklären die bis heute üblichen Grundelemente jedes Horoskops: den Tierkreis, die Planeten, die Aspekte und die Häuser. Bis heute berufen sich Astrologen aus aller Welt auf diesen grundlegenden Aufbau. Doch mit dem Niedergang des Römischen Reichs geriet die Astrologie in Europa in Vergessenheit. Die alten Lehren überlebten aber in der arabischen Welt und in Indien.
Insbesondere im Rahmen der Eroberungszüge von Alexander dem Großen war die Astrologie bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. nach Indien gelangt. Sie wurde dort ins hinduistische Weltbild integriert und mit der bereits bestehenden Lunarastrologie verknüpft. So spielt bis heute in der indischen Astrologie (Jyotisa) der Mond eine viel stärkere Rolle als in der westlichen Astrologie. Die 27 oder 28 Mondstationen (Nakshatras), welche der Mond im Lauf seines Zyklus durchläuft, wurden durch die hellenistischen Einflüsse um die zwölf solaren Tierkreiszeichen (Rashis) ergänzt. Auch die Erweiterung der altindischen Sonnen- und Mondkalender um die fünf Planeten (Grahas) Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn und damit verbunden die Einführung der Siebentagewoche (jeweils ein Tag für Sonne, Mond und die fünf Planeten) geht auf die Griechen zurück.
Im Lauf der folgenden Jahrhunderte entwickelten sich die indische und die westliche Astrologie zunehmend auseinander. Ein Hauptgrund dafür ist der Tierkreis. Traditionell liegt sein Anfangspunkt auf 0° Widder. In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten war der Eintritt der Sonne ins siderische Sternbild des Widders mit der Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) weitgehend identisch. Da sich die Erdachse im Lauf der Jahrhunderte jedoch verlagert (Präzession), driften die Sternbilder und die Äquinoktialpunkte immer weiter auseinander. Etwa alle 2.200 Jahre verschieben sie sich um ein Zeichen. Erst nach 26.000 Jahren sind sie wieder deckungsgleich. In der westlichen Astrologie hielt man sich an den tropischen Tierkreis. Das heißt, dass 0° Widder als Punkt der Tagundnachtgleiche definiert ist und mittlerweile nichts mehr mit den Sternbildern am Himmel zu tun hat. In der indischen Astrologie hingegen wurde der siderische Tierkreis beibehalten. 0° Widder ist also immer noch dort, wo das Sternbild des Widders am Himmel beginnt. Allerdings liegt dieser Tag mittlerweile mehr als drei Wochen nach der Tagundnachtgleiche, also nicht um den 21. März, sondern erst um den 14. April. Ein stürmischer Widder der westlichen Astrologie ist in Indien somit noch ein verträumter Fisch. Ein exzentrischer Wassermann nach dem tropischen Tierkreis ist im siderischen Tierkreis ein konservativer Steinbock.
Dieser Widerspruch ist eines der Hauptargumente der Kritiker gegen die Astrologie. Und in der Tat befinden sich die Astrologen hier im Erklärungsnotstand. Manche Astrologen behaupten, dass sowohl der tropische, als auch der siderische Tierkreis in sich stimmig wären und einfach verschiedene Ebenen des Horoskops repräsentieren. Allerdings bleibt dann die Frage offen, warum den einzelnen Tierkreiszeichen in beiden Bezugssystemen dieselben Eigenschaften zugeordnet werden. Hier hat der renommierte Astrohistoriker Dieter Koch (*1959) bei einer vergleichenden Analyse vedischer Astrologiebücher allerdings festgestellt, dass es bei den Beschreibungen der Tierkreiszeichen durchaus Verbindendes gibt. So werden beispielsweise dem siderischen Skorpion auch Charaktermerkmale zugeschrieben, welche im Westen mit dem tropischen Schützen assoziiert werden. Mit den Koordinatensystemen haben sich also auch die Bedeutungsräume verschoben, sodass die inhaltlichen Widersprüche gar nicht so gravierend sind. Problematisch wird es allerdings beim Herrschersystem. Hier wie dort gilt Mars als Planet des Widders, Jupiter als Planet der Fische und so fort. Ein tropischer Widderaszendent bekommt den kriegerischen Übeltäter Mars als Geburtsplanet zugeordnet, während derselbe Mensch in Indien dem großen Wohltäter Jupiter untersteht. Dieser Widerspruch scheint bis heute unlösbar. Und so besteht die beliebteste Ausflucht darin, dass westliche Astrologen den siderischen und indische Astrologen den tropischen Tierkreis als Unsinn abtun.
Der zweite Kulturkreis, in dem die antike Astrologie fortlebte, war der arabische. Die Araber bewahrten das geistige Erbe der Griechen und entwickelten es weiter, während Europa im finsteren Mittelalter versank. Zu den bekanntesten arabischen Astrologen gehörten Messallah, der im Jahr 762 n. Chr. den Zeitpunkt für die Gründung Bagdads errechnet hat, Sahl ben Bishr, Abu Masar (beide in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts), Albubather (etwa 875 – 950) und vor allem der berühmte Universalgelehrte Al-Biruni (973 – 1050), sowie Ali ben Ragel (1016 – 1062), einer der meistzitierten Astrologen des Mittelalters. Der große Einfluss, den die Araber auf die Entwicklung der Astrologie hatten, kommt noch heute zum Ausdruck im Begriff der „Arabischen Punkte“. Diese Technik hat ihre Ursprünge zwar bereits in der Antike, wurde aber erst von den Arabern in großem Umfang betrieben. Dabei werden Planeten, Aszendent und Medium Coeli (der höchste Punkt des Himmels) miteinander addiert oder subtrahiert. Der bekannteste dieser Punkte ist der Glückspunkt. Hier wird die Distanz von der Sonne zum Mond gemessen und dann vom Aszendenten abgetragen. Die Araber benutzten hunderte derartiger Punkte, und jeder Punkt konnte wiederum Ausgangspunkt zur Berechnung weiterer Punkte sein. Bei Al-Biruni finden sich zahlreiche Arabische Punkte wie die folgenden:
Triumph: Von Glückspunkt zum Saturn, abgetragen vom Aszendenten
Geheimnisse: Vom Herrscher des Aszendenten zum Medium Coeli, abgetragen von Aszendenten
Schicksal des Sultans: Von MC Konjunktion Merkur zum MC der Solarprogression, abgetragen vom Jupiter
Zeitdauer der Beschäftigung: Von der Sonne zum Saturn, abgetragen vom Aszendenten
Enthauptung: Vom Mond zum Mars, abgetragen von der Spitze des 8. Hauses
Ob für Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Meister, Sklaven, Geschäfte, Folter, Beruf, Berühmtheit, Erbe, Kinder, Liebe, Reitkunst, Schönheit oder Streit, ja sogar für Wein, Nüsse oder Oliven, für nahezu alles gab es einen eigenen Arabischen Punkt. Die Inflation astrologischer Deutungsfaktoren nahm bereits damals ihren Anfang. Es gab von den Arabischen Punkten so viele, dass man jederzeit alles und jeden berechnen konnte, zumindest im Nachhinein.
Erst in den 2000er Jahren haben Forscher herausgefunden, dass die westliche Astrologie über das Perserreich bis nach China gelangt ist, und das bereits im 8. Jahrhundert nach Christus. So zeigte der kanadische Tibetologe Jeffrey Kotyk (*1985), dass im China der Tang-Dynastie persische Astronomen am Hof des Kaisers tätig waren und so die iranische Astrologie, eine Mischung aus hellenistischen und indischen Einflüssen, ins ferne Asien brachten. Dort hielt sie sich mehrere Jahrhunderte als anerkannte Prognosedisziplin. Kotyk hat auch eine Reihe von spannenden Details aufgearbeitet. So wurden in der iranischen Astrologie des 8. Jahrhunderts nicht nur Sonne, Mond, die fünf Planeten und die Mondknoten (Drachenkopf und Drachenschwanz) verwendet, sondern auch ein Faktor namens Lilith. Die Umlaufbahn dieser unheilvollen, dunklen Dämonin entspricht dem erdfernsten Punkt der Mondbahn (Apogäum). In der modernen Astrologie wurde dieser Faktor erst in den 1960er Jahren neu entdeckt und seit den 1980er Jahren sehr populär. Sowohl die Berechnung, als auch die Deutung der modernen Lilith entsprechen verblüffend genau den iranischen Beschreibungen, obgleich es keinerlei Verbindung beider Traditionslinien gibt. Auch die Bilder und Beschreibungen der Planeten und Tierkreiszeichen zeigen eine große Ähnlichkeit mit den westlichen Vorbildern.
Trotz der westlichen Einflüsse war die Astrologie in China noch in starker Verbindung zur Zeichendeutung. Der Himmel wurde beobachtet und diente auch optisch als Landkarte des Schicksals. Die Milchstraße entsprach dabei dem Gelben Fluss, dem markantesten Strom in der Topographie des Kaiserreichs. Und oberhalb und unterhalb der Milchstraße spiegelten sich die darunterliegenden Regionen Chinas nördlich und südlich des Gelben Flusses im Himmel. Ereigneten sich Konstellationen der Planeten in diesen Himmelsregionen, so betraf dies auch die entsprechende Region auf Erden.
Laut dem amerikanischen Sinologen David Pankenier (*1946) spielten hier Planetenballungen eine große Rolle. Besonders bedeutsam waren diese, wenn alle Planeten in einem Tierkreiszeichen versammelt waren. Das geschieht nur etwa alle 517 Jahre. Dieses seltene Ereignis wurde als Zeichen gesehen, dass die bestehende Ordnung einen großen Umbruch erfährt und das „Himmlische Mandat“ (Tianming) auf einen neuen Herrscher übergehen könnte. Und tatsächlich finden sich in der chinesischen Geschichte zu diesen großen Konjunktionen erstaunlich viele Umstürze und Dynastiewechsel. So läutete die Konjunktion von 1953 v. Chr. die Ära der Xia-Dynastie ein, jene von 1576 v. Chr. die Herrschaft der Shang und die Konjunktion von 1059 v. Chr. die Machübernahme der Zhou. Dabei fanden die Konjunktionen jeweils in den Himmelsregionen der entsprechenden Dynastien statt. Diese seltenen Himmelsereignisse machten offenbar einen derart mächtigen Eindruck auf Herrschende und Umstürzler, dass der Glaube Berge versetzte. Man muss sich den enormen motivierenden bzw. demoralisierenden Effekt eines solchen mächtigen Zeichens vorstellen, wenn es von allen Beteiligten geglaubt wird. Und so kann man gespannt sein auf die nächste große Konjunktion im September 2040. Denn ein solch seltenes Omen könnte wohl auch im modernen China eine gewisse Sogwirkung entwickeln.
weiter zum Folge-Artikel “Astrologie in der frühen Neuzeit”
Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 114ff
Seit Urzeiten blickt der Mensch in den Himmel. Wenn das tägliche Treiben langsam in der Abenddämmerung zur Ruhe kommt, die Sonne am Horizont verschwindet, dann erscheint am Firmament die ewige Ordnung der Gestirne. Während der Alltag voller Unwegsamkeiten ist, voller Überraschungen, Gefahren und Unbekannten, bietet der Nachthimmel Stabilität und Orientierung. Scheinbar unveränderlich sind die Sterne am Himmel arrangiert und vermitteln das Bild einer ewigen kosmischen Ordnung. Sie bieten dem Menschen unverrückbare Ankerpunkte in den Wogen von Raum und Zeit.
Die ersten Mondkalender der Jäger und Sammler, die ersten Sonnenkalender der neolithischen Bauern, die monumentalen Kalenderbauten der frühen Hochkulturen, sie alle basieren auf astronomischen Abläufen. Sie geben dem Menschen Orientierung über Zeitpunkte und Zeiträume: Wann ist die richtige Zeit für die Aussaat und für die Ernte? Wann werden die Tage wieder länger? Wann kommt die Ebbe, wann die Flut? Existentielle Fragen wie diese können mit den Kalendern beantwortet werden. Und wenn schon der Lauf von Sonne und Mond so offensichtlich Auskunft geben kann über derart wichtige Fragen, warum dann nicht auch der Lauf der anderen Wandelsterne, der Planeten am Nachthimmel? So entstand spätestens im Laufe des 3. Jahrtausends v. Chr. in Mesopotamien die Astrologie.
Wie die archaischen Kalender entwickelte sich auch die Astrologie aus der Zeichendeutung heraus. Sie liegt direkt an der Nahtstelle zwischen Zeichen und Zeit. Denn einerseits sind die Bahnen der Planeten Signaturen am Himmel, andererseits folgen sie festen zeitlichen Periodizitäten. Sonne und Mond, welche wir bereits ausführlich in den vergangenen Kapiteln behandelt haben, zählen auch in der Astrologie zu den Hauptfaktoren. Auch die Venus, nach Sonne und Mond der dritthellste Himmelskörper, hatte in den Deutungen bereits früh einen hohen Stellenwert. Die Maya sahen in ihr die gefiederte Schlange Kukulcan, eine ihrer höchsten Gottheiten. Sie widmeten ihr ausgiebige Beobachtungen und ihre exaktesten Berechnungen. In Mesopotamien war die Venus ebenfalls der erste Planet, welchem große Bedeutung zukam. Auch sie wurde ursprünglich vor allem als Zeichen gedeutet:
„Wenn Venus beim Aufgang in einer Scheibe steht: Der König wird seine Untertanen in einem Kampf zur Rechenschaft ziehen. Wenn Venus neben der Sonnenscheibe steht, während diese aufgeht: Das Land wird revoltieren. Die Hungersnot wird streng sein. Des Königs Untertanen werden ihn in einem Kampf töten. Wenn die Sonnenscheibe beim Aufgang neben dem Mond steht und Venus vor diesen sichtbar ist: Eine wohlbekannte, wichtige Persönlichkeit wird gegen den Herrn rebellieren.“
Derartige Himmels-Omina finden sich in Mesopotamien etwa ab Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. Um 2000 v. Chr. prägten im Zwischenstromland bereits zahlreiche Steintürme mit einer Höhe bis zu hundert Metern die Stadtbilder. Diese Türme dienten vor allem der Beobachtung des Himmels. Man begann, die Bahn der Venus, ihre Deklinationswerte, ihr Verschwinden und ihr Erscheinen vor und nach den Sonnenkonjunktionen aufzuzeichnen. Auch die Fixsternpositionen wurden notiert. Im weiteren Verlauf der Jahrhunderte kamen auch die anderen Planeten dazu. Doch lange Zeit war die Wahrsagung aus den Sternen mehr Deutung von Himmelszeichen als Astrologie im heutigen Sinne.
Erst im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde aus der Himmelbeobachtung langsam die Astronomie. Aus den jahrhundertelangen Beobachtungsdaten entwickelten sich Berechnungstafeln für die künftigen Positionen von Sonne und Mond. Mit Hilfe der Sarosperioden konnte man bereits damals Sonnenfinsternisse vorhersagen. Später wurden auch zunehmend die Bahnen der fünf Planeten in die Berechnungen mit einbezogen. Zu diesem Zweck erfanden die Babylonier den Tierkreis mit seinen 360 Graden als Koordinatensystem. Etwa um 600 v. Chr. teilten sie diesen in zwölf gleich große Abschnitte, in die zwölf Tierkreiszeichen. Damit waren die wichtigsten technischen Grundlagen der Astrologie gelegt.
Bis zu dieser Zeit war die Himmelsschau ausschließlich Königs- und Mundanwahrsagung. Aus den Zeichen des Himmels wurden die Geschicke von Ländern und Herrschern gelesen. Individuen wurden nicht berücksichtigt. Erst Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. begann man, Horoskope für den Zeitpunkt der Geburt von Einzelpersonen zu berechnen. Das älteste bekannte Geburtshoroskop wurde auf den 29. April 410 v. Chr. erstellt. Es enthält die Tierkreispositionen von Sonne, Mond und den fünf Planeten. Der Aszendent hingegen, heute eines der zentralen Deutungselemente, war den Babyloniern noch unbekannt. Dieser wurde erst im Lauf des vierten vorchristlichen Jahrhunderts von den Griechen in die Astrologie eingeführt. Die Griechen übernahmen die Astrologie von den Babyloniern, vor allem im Rahmen des Persienfeldzugs von Alexander dem Großen (356 – 323 v. Chr.). Nachdem chaldäische Astrologen Alexander vorhergesagt hatten, dass er im Falle eines Einzugs in Babylon dort sterben würde und sich diese Prophezeiung erfüllte, begann eine rasche Ausbreitung der Sternenkunde in der Alten Welt. Chaldäische Astrologen wie der Baal-Priester Berossos gründeten Astrologieschulen in ganz Griechenland.
Die Griechen verliehen der Astrologie ihre heutige Form. Sie legten erstmals großes Gewicht auf den Aufgangspunkt des Tierkreises im Osten, den Aszendenten. Bei ihnen erlebte auch die Individualhoroskopie ihre erste Blüte. Dies hängt sicherlich mit dem hohen Stellenwert des Einzelnen in der hellenistischen Demokratie zusammen. Entgegen der Behauptung, dass Astrologie bereits über 10.000 Jahre oder gar über 30.000 Jahre alt wäre, ist das, was man heute Astrologie nennt, also erst etwas mehr als 2.000 Jahre alt.
Von Griechenland kam die Astrologie nach Rom. Cicero (106 – 43 v. Chr.) widmete ihr so manchen Seitenhieb in seiner Schrift „Von der Weissagung“. Er hielt die Sternenkunde schon damals, im letzten vorchristlichen Jahrhundert, für Humbug. Im fiktiven Dialog mit seinem Bruder Quintus wird bereits ein Großteil der Argumente für und wider die Astrologie ausgetauscht, welche bis zum heutigen Tag die Diskussion prägen. So führt er gegen die Astrologie zu Felde, dass Zwillinge keineswegs dasselbe Schicksal hätten, obwohl sie zur selben Zeit geboren werden. Oder er kritisiert, dass die Planeten viel zu weit von der Erde entfernt wären, als dass sie eine Wirkung auf die Menschen ausüben könnten.
„Denn wer sieht nicht, dass die Kinder die Gestalt und die Sitten und die meisten auch die Stellungen und Bewegungen der Eltern nachbilden? Dies würde nicht eintreffen, wenn nicht die Kraft und die Natur der Zeugenden, sondern die Temperatur des Mondes und die Beschaffenheit des Himmels es hervorbrächte. Wie? Haben nicht Menschen, die in ein und demselben Augenblick geboren sind, verschiedene Naturen, Lebensweisen und Schicksale? Beweist das nicht hinlänglich, dass die Geburtszeit auf das Lebensgeschick durchaus keinen Einfluss hat?“ (Cicero 44 v.Chr. “Von der Weissagung”)
Die Astrologie war also, wie im Übrigen auch die anderen Arten der Wahrsagung, bereits damals umstritten. Man hat früher keineswegs den magischen Lehren unkritischeren Glauben geschenkt als heute. Vielmehr wurde die Astrologie im Römischen Reich immer wieder gesetzlich verboten, beispielsweise 139 v. Chr. mit der Verbannung aller griechischen Astrologen aus Italien oder unter Diokletian 294 n. Chr. und Velentinian 370 n. Chr. Bei letzteren beiden Edikten wurde die Astrologie sogar als „verdammenswert“ bezeichnet und jedem, der bei „diesem verbotenen Irrtum ergriffen wird“ die Todesstrafe angedroht, sowohl dem Astrologen, als auch dessen Kunden. In anderen Perioden hingegen nutzten die Römischen Kaiser Astrologie als exklusives Herrschaftswissen, beispielsweise unter Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) oder Hadrian (76 – 138 n. Chr.), wobei letzterer sogar selbst Astrologe war. In diesen Phasen erhoffte man sich von den Astrologieverboten einen Wissensvorsprung und stellten die Ausübung deshalb für Privatpersonen unter Strafe, besonders wenn sich diese erdreisteten, Prognosen über die Geschicke des Kaisers oder des Staates zu machen. Im inneren Führungszirkel hingegen nutzte man die Astrologie intensiv und richtete alle wichtigen Entscheidungen nach den Gestirnen aus. Das öffentliche Ansehen der Astrologie war also bereits im Römischen Reich großen Wechseln unterworfen und pendelte zwischen angesehener Zukunftswissenschaft und verpöntem Aberglauben.
Das erste Lehrbuch für Astrologie gab es erst um die Zeitenwende. Die „Astronomica“ vom römischen Autoren Marcus Manilius stellt in fünf Büchern die Grundlagen der Astrologie dar. Das im Versmaß gehaltene Werk präsentiert neben Tierkreiszeichen, Planeten und Aszendenten auch die Häuser, sowie die Hauptaspekte, die bedeutsamen Winkelbeziehungen zwischen den Planeten, den Gedrittschein (120°), den Geviertschein (90°), den Sextilschein (60°) und den Gegenschein (180°). Ein weiteres einflussreiches Werk verfasste in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts Dorotheus von Sidon. Sein „Pentateuch“ ist allerdings nur in Fragmenten, teilweise in arabischen Übersetzungen aus dem 8. Jahrhundert, überliefert.
Das wichtigste Astrologiebuch der Antike erschien Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Der Tetrabiblos von Claudius Ptolemäus (etwa 100 – 178 n. Chr.) gilt bis heute als Standardwerk der Astrologie. Er ist ein systematisch aufgebautes Lehrbuch in vier Büchern und enthält alles, was die Sternenschau seiner Zeit ausmachte. Neben einer detaillierten Darstellung der mathematischen und astronomischen Grundlagen bietet er umfassende astrologische Deutungsregeln zu Planeten, Zeichen, Häusern und Fixsternen. Dabei liegt der Verdienst von Ptolemäus nicht in der Kreation eines eigenständigen Deutungssystems, sondern vor allem in der systematischen Zusammenfassung des damaligen astrologischen Wissens. Sein geozentrisches Weltbild und seine Epizykeltheorie prägten die Astronomie des Mittelalters bis zur kopernikanischen Revolution.
weiter zum Folge-Artikel “Die Geschichte der Astrologie in Indien, Arabien und China”
Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 110ff
Einleitung aus dem Buch
Niederwieser, Christof (2017) Das Gruppenhoroskop: Schlüssel zur Kollektiv-Astrologie, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 20
inkl. MwSt.
inkl. MwSt.
inkl. MwSt.
inkl. MwSt.