Die Wiederentdeckung der Astrologie in der Moderne
Im Abendland erlebte die Astrologie ihre Hochblüte in der Renaissance. Astrologie galt als die Königswissenschaft an den Universitäten und Fürstenhöfen. Im Lauf des 17. Jahrhunderts wurde die Astrologie von den aufkommenden Naturwissenschaften zunehmend kritisch gesehen. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) gaben die zunehmend sensationslüsternen Prognosen der Astrologen den Menschen noch Halt. Doch ab den 1650er Jahren setzte ein rascher Verfall ein. Die Sternenkunst schien im Vergleich zu den wissenschaftlichen Entdeckungen in Physik und Technik zunehmend antiquiert. 1666 wurde die Astrologie schließlich in Frankreich von den Universitäten verbannt und kurz darauf in ganz Europa ins Reich des Aberglaubens verwiesen. So versank die Astrologie in einen langen Dämmerschlaf, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. So entstand die Astrologie der Moderne.
Wiederentdeckung durch Theosophen und Rosenkreuzer
Als Vater der modernen Astrologie wird häufig der englische Theosoph Alan Leo (1860 – 1917) genannt. Er entrümpelte die klassische Astrologie und verpackte sie in ein zeitgemäßes Gewand. Sein Lehrgebäude war im Vergleich zur traditionellen Astrologie deutlich vereinfacht und leichter verständlich. Zudem verlagerte Leo den Schwerpunkt weg von den Schicksalsprognosen und hin zur psychologischen Charakterdeutung. Mit seiner Datensammlung „1001 Notable Nativities“ legte er den Grundstein für die empirische Astrologie. Darin waren die Horoskope von 1.001 berühmten Persönlichkeiten und historischen Ereignissen angegeben. Dieses Werk galt jahrzehntelang als Datenbibel für forschende Astrologen. Leo war aber auch ein findiger Geschäftsmann und erkannte als Erster das Erfolgspotential der Trivialisierung. Indem er die Komplexität eines Geburtshoroskops auf den Sonnenstand reduzierte, konnte er erstmals ein Millionenpublikum erreichen. Die „Sternzeichen-Astrologie“ mit ihren zwölf Menschenschubladen war geboren und mit ihr die populären Zeitungshoroskope. Er war auch der Erste, der Horoskope mit Hilfe von Textbausteinen erstellte. Mit diesen beiden Kunstgriffen waren Horoskope keine aufwändige Maßarbeit mehr. Sie konnten am Fließband produziert und günstig an ein Massenpublikum verkauft werden.
Im angelsächsischen Raum waren die ersten modernen Astrologen vornehmlich Mitglieder von esoterischen Zirkeln und spirituellen Vereinigungen, insbesondere der Theosophen und der Rosenkreuzer. Die bekanntesten von ihnen waren der Rosenkreuzer Max Heindel (1865 – 1919), die Theosophin Alice Bailey (1880 – 1949) und C.C. Zain (1882 – 1951), Gründer der „Church of Light“. Eine herausragende Figur dieser Frühphase war die erste Astrologin Amerikas, Evangeline Adams (1868 – 1932). Sie stieß auf reges Medieninteresse und machte die Sterndeutung erst so richtig populär. Grund dafür waren zahlreiche frappante Prognosen, welche ihr zugeschrieben wurden. So soll sie den Brand des Winsor Hotels in New York 1899 ebenso vorhergesagt haben wie den Börsencrash von 1929, den Zweiten Weltkrieg oder den Tod von König Edward VII. Zu ihren Klienten zählten zahlreiche Prominente wie der Opernsänger Enrico Caruso oder der berühmte Finanzguru John Piermont Morgan, dem bis heute gerne der Spruch zugeschrieben wird: „Millionäre verwenden keine Astrologie – Milliardäre schon.“ 1911 und 1914 wurde sie wegen Wahrsagerei angeklagt. Vor Gericht überzeugte sie den Richter von ihren astrologischen Fertigkeiten, sodass sie freigesprochen wurde. In den Medien, welche den Prozess mit regem Interesse verfolgt hatten, wurde dies als wissenschaftlicher Beweis für die Astrologie interpretiert. So wurde Adams zur ersten großen Medienastrologin. Sie erhielt ihre eigene Radiosendung und 1930 auch eine eigene Zeitungskolumne.
Astrologie im deutschen Sprachraum
Um die Jahrhundertwende gelangte die wiederentdeckte Astrologie auch in die deutschsprachigen Länder. Einer der ersten Pioniere war Karl Brandler-Pracht (1864 – 1939). Er veröffentlichte 1905 sein Erstwerk „Mathematisch-instruktives Lehrbuch der Astrologie“. In den folgenden Jahrzehnten gründete er astrologische Gesellschaften und Forschungsgruppen in vielen österreichischen, deutschen und schweizerischen Städten, sowie mehrere Zeitschriften. Brandler-Pracht gilt als Grand Signor der modernen deutschsprachigen Astrologie. Viele bekannte Astrologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Schüler von ihm.
Nach dem Ersten Weltkrieg begannen für die Astrologie zwei Jahrzehnte enthusiastischer Aufbruchsstimmung. Zahlreiche Doktoren und Professoren beschäftigten sich ernsthaft mit ihr. Man war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis die Astrologie mit modernen technischen Mitteln bewiesen und als Wissenschaft etabliert werden könnte. Viele Astrologen aus jener Zeit sind bis heute legendär, etwa Johannes Vehlow (1890 – 1958), der mit seinem achtbändigen Monumentalwerk „Lehrkursus der wissenschaftlichen Geburtsastrologie“ (ab 1925) eine systematische Sammlung des astrologischen Wissens von der Antike bis in die Gegenwart erarbeitete. Sein Häusersystem, welches den Aszendenten in die Mitte des 1. Hauses legt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Großen Einfluss auf die Entwicklung der deutschsprachigen Astrologie hatte auch Frank Glahn (1865 – 1941). Sein erstes Astrologie-Buch „Erklärung und systematische Deutung des Geburtshoroskopes“ erschien 1923. Während der Verdienst von Brandler-Pracht oder Vehlow vor allem im Sammeln und Zusammenstellen des überlieferten Wissens besteht, glänzte Glahn durch innovative Techniken und Neuerfindungen. Auf ihn gehen etwa die heute sehr populären Häuserrhythmen zurück.
Die Hamburger Schule
Den revolutionärsten und technisch komplexesten Ansatz begründete der Vermessungstechniker Alfred Witte (1878 – 1941) mit der Hamburger Schule. Er präsentierte sein System ab 1919 in einigen Artikeln und war damit alsbald in aller Munde. Witte hatte im Laufe des Ersten Weltkrieges tausende Horoskope von Kameraden berechnet und dabei feststellen müssen, dass tiefgreifende Ereignisse wie Bombenangriffe, Verwundungen oder Hochzeiten mit den klassischen Methoden oft gar nicht im Horoskop ersichtlich waren. Er verglich die Geburtsbilder von Menschen mit ähnlichen Erlebnissen, sowie von Menschen mit gleichen Geburtstagen, und fand dabei heraus, dass darin zu den fraglichen Zeiten stets dieselben Tierkreispositionen ausgelöst waren. Diese Positionen wanderten langsam. So vermutete Witte, dass es sich dabei um noch nicht entdeckte Planeten jenseits der Neptunbahn handeln müsse. Anhand der Fallkurve der bekannten Planeten berechnete Witte Entfernung und Umlaufzeit dieser Punkte und kam so auf die Bahnen seiner vier zusätzlichen Planeten: Cupido, Hades, Zeus und Kronos. Witte nannte diese unentdeckten Himmelskörper jenseits der Neptunbahn Transneptuner.
Wann immer etwa jemand von der Front Heimurlaub bekam, um einer großen Familienfeierlichkeit beizuwohnen, war Cupido ausgelöst. Tod, Vernichtung, Verwesung, Schmutz oder Dirnen und Diebe wurden von Hades angezeigt. Den Punkt, der Blitzangriffe, Dampfmaschinen oder Schussverletzungen auslöste, nannte Witte Zeus. Kronos stand für Herrschaft und Autorität, für das Hohe und Erhabene. Folgende Liste zeigt in kurzen Stichpunkten Umlaufzeiten und Bedeutung der von Witte gefundenen Transneptuner. Sie wurden später von Wittes Schüler Friedrich Sieggrün (1877 – 1951) auf acht erweitert.
Umlaufzeit | Bedeutung | ||
Cupido | 262 Jahre | Familie, Ehe, Kunst, Gemeinschaft | |
Hades | 361 Jahre | Einsamkeit, Mangel, Schmutz, Krankheit | |
Zeus | 456 Jahre | Führung, Zeugung, Ziele, Feuer, Maschinen | |
Kronos | 522 Jahre | Selbständigkeit, Staat, Herrscher, Größe | |
Apollon | 576 Jahre | Ruhm, Erfolg, Ausdehnung, Wissenschaft | |
Admetos | 618 Jahre | Hemmung, Trennung, Stillstand, Rotation | |
Vulkanus | 663 Jahre | Größte Kraft, Macht, Energie, Gewalt | |
Poseidon | 740 Jahre | Geist, Idee, Erkenntnis, Licht, Erleuchtung |
Die Transneptuner der Hamburger Schule
Die zweite Neuerung Wittes waren die sogenannten Planetenbilder. Die klassische Astrologie kennt nur Beziehungen zwischen zwei Planeten, sofern diese bestimmten Winkeln, den Aspekten, entsprechen. Wittes Planetenbilder hingegen bestehen aus drei oder mehr Planeten, sofern einer davon genau in der Mitte zwischen den zwei anderen liegt. Die Einführung dieser Halbsummen erlaubte in Verbindung mit den Transneptunern viel differenziertere Aussagen als die traditionelle Astrologie. So konnten die Häuser und Tierkreiszeichen, die zwei Grundprobleme der Astrologie, in der Deutung weitgehend vernachlässigt werden. Der Schwerpunkt lag nun auf den Planetenbildern.
Gerade in Zeiten ohne Computer bedeutete dies einen erheblichen mathematischen Mehraufwand. Dafür stand die Hamburger Schule in dem Ruf, die bei weitem exaktesten Prognosen und die höchste Treffsicherheit erzielen zu können. Anhand zahlreicher Experimente belegten ihre Schüler die Überlegenheit ihres Systems gegenüber den anderen astrologischen Schulen. Sie berechneten auf den Tag genau die Geburt eines Kindes oder sagten exakt die Sieger und Siegerrunden von Boxkämpfen voraus. Auch die Berechnung des Verbleibs verschwundener Personen wird in der Liste der Erfolge aufgeführt. Inwieweit derartige Treffer die Ausnahme oder die Regel waren, bleibt offen. Jedenfalls waren die Hoffnungen groß, dass Wittes System die Astrologie schon bald als exakte Wissenschaft etablieren würde. Nicht umsonst pflegten die Vertreter der Hamburger Schule, ihre astrologischen Deutungsregeln in mathematische Formeln zu verpacken. Ihre Bibel war das „Regelwerk für Planetenbilder“ (Erstauflage 1928). Darin finden sich hunderte Formeln wie:
Mond + Cupido – Widder = Hochzeiten. Allgemeine Geselligkeitsvereine. Öffentliche Bälle und Gesellschaften.
Venus + Uranus – Mars = Heiße, jedoch verfeinerte Sinnlichkeit. Plötzliche Bekanntschaften, die sich intim gestalten.
Mondknoten + Hades – Zeus = Wegen Mängel scharf zurechtgewiesen werden. Infolge Verbrechens mit der Polizei in Berührung kommen. Durch Brand in Mitleidenschaft gezogen werden.
Sonne + Kronos – Neptun = Konfuse Autorität. Unfähige Leitung. Durch führende oder selbständige Personen Täuschung oder Ablehnung erfahren. Durch Staatsgewalt vernichtet. Fürstenabsetzung. Wenn = Merkur: der konfuse Leiter oder der intuitiv Führende.
Die Hamburger Schule bleibt bis heute auch innerhalb der Astrologieszene ein Kuriosum. Einerseits genießen viele ihrer Anhänger hohes Ansehen, insbesondere im angelsächsischen Raum, wo Wittes Lehre als „Uranian Astrology“ bis heute populär ist. Andererseits konnte sich der extrem mathematische Ansatz nie in der Breite durchsetzen. Er war zu kompliziert und detaillistisch für eine Massenbewegung. Viele Astrologen störte auch das stark deterministische Gepräge der Jünger Wittes. Ihr Anspruch, eine exakte Wissenschaft zu betreiben, ließ keinen Platz für den freien Willen. Alles und jeder war präzise berechenbar. Man darf dabei allerdings nicht übersehen, dass diese starke Schicksalsorientierung bis weit in die Nachkriegszeit hinein in der Astrologie sehr verbreitet war.
Am meisten Ablehnung brachten der Hamburger Schule die Transneptuner. Die Existenz dieser acht zusätzlichen Planeten wurde aus der Analyse tausender Horoskope abgeleitet. Doch bis heute konnte keiner dieser Körper astronomisch entdeckt werden. Zudem machte es viele Astrologen misstrauisch, als man 1930 den neunten Planeten Pluto entdeckte, dieser aber keinem der Witte-Planeten entsprach. Auch mit den zehntausenden Transneptunischen Objekten im Kuiper-Gürtel, welche seit 1992 entdeckt wurden, haben die Hamburger Transneptuner bis auf ihren Namen keine Übereinstimmung, weshalb man diese mittlerweile lieber als „Wirkpunkte“ und nicht mehr als Planeten bezeichnet. So führt die Hamburger Schule bis heute ein Exotendasein, wenngleich ihre Leistungen in der Astrologieszene als unbestritten gelten. Die Halbsummen und die Spiegelpunkte, zwei von Witte (wieder)entdeckte Techniken, sind mittlerweile Allgemeingut der Astrologie.
Die Kosmobiologie von Ebertin
Ursprünglich ebenfalls Anhänger der Hamburger Schule war einer der bekanntesten Astrologen des 20. Jahrhunderts, Reinhold Ebertin (1901 – 1988). Er war der Sohn der ersten professionellen Astrologin Deutschlands, Elsbeth Ebertin (1880 – 1944), welche in der Zwischenkriegszeit alljährlich die astrologische Jahresvorschau „Ein Blick in die Zukunft – Unabwendbare Geschehnisse in nächster Zeit“ verfasste. 1928 gründete er den Ebertin-Verlag und gab die Fachzeitschrift „Neue Sternblätter“ heraus, welche 1933 in „Mensch im All“ umbenannt wurde. Diese wurde schnell zu einem der wichtigsten Sprachrohre der deutschen Astrologie. Ludwig Rudolph, einer der Hauptvertreter der Hamburger Schule, oder der bekannte Chirologe und Physiognom Ernst Issberner-Haldane publizierten zahlreiche Artikel darin. Ab 1932 erschien die Wochenzeitschrift „Der Seher“ und erreichte alsbald eine Auflage von über 50.000 Stück.
Ebertins Bekanntheit ist auch seinem Organisationstalent zu verdanken. 1932 organisierte er den „Kongreß astrologischer Pioniere“ mit über 600 Teilnehmern. Dort war alles versammelt, was in der damaligen Astrologieszene Rang und Namen hatte. Ein Ziel dieses Kongresses war, die ausufernde Methodenflut der Astrologie kritisch zu sichten und die erfolgreichsten Techniken herauszufiltern. Dazu stellte Ebertin im Laufe der Zeit 75 praktische Aufgaben. Jeder Astrologe, jede Schule konnte diese mit ihren bevorzugten Methoden lösen. Anhand der richtigen oder falschen Ergebnisse wurde dann eine Bewertung der Techniken vorgenommen. Auf dieser Grundlage entwickelte sich im Laufe der 1930er Jahre die „Methode Ebertin“, später auch Kosmobiologie genannt. Die erste Auflage von Ebertins Hauptwerk „Kombination der Gestirneinflüsse“ erschien schließlich nach dem Krieg und gilt bis heute als Standardwerk der Astrologie.
Die „Methode Ebertin“ ist weniger ein eigenständiger Deutungsansatz, als vielmehr eine eklektische Zusammenfassung der allgemein anerkanntesten Methoden. Ebertin übernahm von jeder Schule, was ihm am brauchbarsten erschien und nahm daran zahlreiche Vereinfachungen vor. Darin liegt der große Erfolg seiner Kosmobiologie begründet. Von der Hamburger Schule übernahm Ebertin die Halbsummentechnik und die 90-Grad-Scheibe. Die Transneptuner hingegen verwarf er. Zudem wendete er sich von der einseitigen Ereignis- und Schicksalsorientierung der Lehre Wittes ab und betonte die psychologische Seite viel stärker. Um das Problem der verschiedenen Häusersysteme zu vermeiden, verzichtet seine Methode vollkommen darauf.
Astrologenverfolgung im Dritten Reich
Wie viele Astrologen der Zwischenkriegszeit, versuchte auch Ebertin anfangs, sich mit dem Naziregime zu arrangieren. Er war Mitbegründer der „Geistigen Front, Reichsvereinigung für wissenschaftliche und praktische Menschenkenntnis, Berlin“. In seinen Zeitschriften fanden sich Artikel über Germanentum, Rassenphysiognomik oder den „Heilsgruß als Zeichen des Charakters“ ebenso wie Horoskopanalysen Adolf Hitlers, welche seine Sendung als großer Führer astrologisch bestätigten. Der Verein bemühte sich jedoch vergeblich um einen berufsständischen Aufbau für Astrologen im „Kampfbund für Deutsche Kultur“. Obwohl Nazigrößen wie Heß und Himmler dem Okkultismus sehr zugetan waren, gerieten die Astrologen im Dritten Reich alsbald auf die Schwarze Liste. 1939 wurde die Astrologische Zentralstelle aufgehoben und Astrologie verboten. Nach der Flucht von Rudolf Heß wurden 1941 in einer großen Welle zahlreiche Astrologen verhaftet und deportiert. Astrologiebücher wurden tonnenweise beschlagnahmt und verbrannt. Viele Astrologen wie beispielsweise Karl Ernst Krafft oder Hubert Korsch starben im KZ. Alfred Witte kam seiner Verhaftung durch Selbstmord zuvor. Thomas Ring entging seiner Deportation nur knapp, indem ihn der bekannte Freiburger Parapsychologe Hans Bender (1907 – 1991) zum Direktor des Grenzwissenschaftlichen Instituts der Universität Straßburg ernannte und so außer Landes verhalf.
Bis heute sind die deutschen Astrologen der Zwischenkriegszeit in aller Welt legendär. Wie in kaum einem anderen Land der Moderne hatte die Astrologie in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eine rasante Entwicklung genommen und selbst in wissenschaftlichen Kreisen großes Interesse hervorgerufen. Man hatte sich bereits an den Toren zu den Universitäten gewähnt. Doch das Dritte Reich brachte gleich eine doppelte Zäsur. Einerseits war die Astrologie in der Öffentlichkeit als zwielichtige okkulte Praktik stigmatisiert durch ihr Liebäugeln mit dem Naziregime bis 1939. Andererseits wurden viele ihrer wichtigsten Vertreter und Werke durch die Terrorherrschaft ausgelöscht.
Das Dritte Reich am besten überstanden hat die Kosmobiologie von Reinhold Ebertin. In der Nachkriegszeit gelang es ihm, seinen Verlag wieder aufzubauen und seine Lehren auch in Amerika und Australien populär zu machen. Bis in die 1980er Jahre hinein war Ebertin als Astrologe aktiv. Im Gegensatz zu vielen deutschen Kollegen war er auch international sehr aktiv und legte so einen wichtigen Grundpfeiler für die Astrologie der Moderne. Seit seinem Tod verlor jedoch auch seine Lehre stark an Strahlkraft. Der Ebertin-Verlag ging schließlich 2005 in Konkurs. Die Hamburger Schule wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Ludwig Rudolph (1893 – 1982) und später von dessen Sohn Udo fortgeführt. Die großen Tage waren allerdings vorbei. Die große Revolution der Astrologie blieb aus. Heute wird das System der Hamburger Schule leider nur noch von wenigen Astrologen praktiziert. Mit innovativen Ansätzen hatte die “Uranian Astrology” die Astrologie der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg eingeleitet. Doch heute wirkt sie auf viele moderne Astrologen sonderbar antik und fremdartig.
Die Originalversion dieses Artikels inklusive aller Quellen findest Du in folgendem Buch:
Niederwieser, Christof (2020) PROGNOSTIK 03: Trends & Zyklen der Zeit, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 132ff